In der Glut der Leidenschaft
»Er hat sich immer um mich gekümmert und nur ein wenig für seinen Gin ausgegeben.«
»Was ist passiert, Mrs Eagen? Sie und Ihr Mann haben doch sicher nicht hier gelebt, als er noch Lady Buckland diente?«
Sie lachte schroff. »Nein, wir hatten eine kleine Wohnung im Kutschenhaus.« Rein griff nach ihrer Tasse und schöpfte Wasser aus einem Eimer hinein. »Aber die Gläubiger übernahmen das Haus und warfen mich hinaus.« Er reichte ihr die Tasse, und sie trank begierig.
»Nannte der Mann, der hier war, einen Namen?«
Sie schüttelte den Kopf.
Er legte Holz ins Feuer und merkte erst hinterher, dass es zerkleinerte Teile von alten Möbelstücken waren. »Könnt Ihr ihn beschreiben?«
»Nicht groß, aber größer als ich.«
Das passt auch auf ein Kind, dachte Rein.
»Sehr von sich eingenommen, das war er. Und er sagte, dass ich den Mund halten soll.« Sie zuckte die Schultern. »Ich habe sowieso niemanden, bei dem ich den Mund aufmachen kann. Also spielt es keine Rolle.«
»Worüber sollt Ihr den Mund halten, Madame?«
»Was ich gesehen habe und was Clancey mir von der Lady erzählt hat.«
Rein wandte sich an Rusty und zeigte auf den kleinen Holzstapel, und der Mann ging hinaus, um mehr zu sammeln. Die Frau zitterte unter einem Windstoß. Rein zog seine Handschuhe aus, nahm ihr die Tasse ab und zog ihr die Handschuhe über die knochigen Finger. Sie lächelte flüchtig.
»Ich bin keine, die tratscht.«
Jetzt lächelte Rein, weil er das Gegenteil hoffte. »Aber die
Lady war eine Schlampe, und mein Clancey war oft die ganze Nacht unterwegs.«
»Wisst Ihr, wen sie traf oder besuchte, bevor sie starb?«
»Nein, aber eine Kutsche brachte den Besucher zum Haus. Sie ist für den Mann nicht we gg efahren.«
Rein runzelte die Stirn. »Habt Ihr diese Person erkannt?«
»Er war in einen Umhang gehüllt. Nicht sehr groß, soweit ich das vom Kutschenhaus aus erkennen konnte.«
»Habt Ihr das Gesicht gesehen?«
»Habe ich nicht gerade gesagt, dass er einen Umhang getragen hat?«, erwiderte sie, als wäre er schwer von Begriff. »Sie hat sich auch mit diesem Chandler-Jungen getroffen.«
Es ging Rein um die Zeit zwischen Chandler und Katherines Tod. »Erinnert Ihr Euch an irgendetwas in der Nacht, in der Euer Mann getötet wurde?«
Sie dachte angestrengt nach. »Es war das einzige Mal, dass sie zu diesem Liebhaber fuhr und er nicht zu ihr kam.«
»Wusste Clancey, wohin diese Fahrt ging?«
Rusty kam herein und trug auf den starken Armen eine Ladung dicker Holzscheite.
Mrs Eagen winkte ihm zu. »Macht Euch nützlich, junger Mann.« Sie zeigte auf das Feuer, und Rusty legte lächelnd ein Scheit in die Glut. Die Zehen ragten aus den alten Lederschuhen, als die Frau die Füße zum Feuer hielt.
»Madame?«
»Als er heimkam, nachdem er sie weggebracht hatte, sagte er, sie wäre sehr vorsichtig gewesen. Niemand sollte wissen, wohin sie wollte. Daher ließ sie sich nur zu einer Straße, nicht zu dem Haus bringen. Sie sagte, sie wollte ein Stück gehen. Das war ungewöhnlich.«
»Welches Haus war es?«, fragte Rein.
»Das Wildhüterhaus auf dem Grundstück des Chandler-Jungen.«
Rein hob ruckartig den Kopf. »Seid Ihr sicher?«
Christian hatte keinen Grund gehabt, seine Affäre mit Katherine geheim zu halten. Weshalb hätten sich die beiden im Wald verstecken sollen ? Andererseits stand das Wildhüterhaus tief im Wald und war weit vom Herrenhaus entfernt. Jemand hätte es ohne Christians Wissen benutzen können.
»Natürlich bin ich sicher. Mein Clancey hat sich beschwert, weil sie ihn weggeschickt hat. Er sollte durch die ganze Stadt fahren und immer wieder halten.« Sie beugte sich vor und schlug einen verschwörerischen Ton all an. »Das hat er aber nicht gemacht. Er ist heimgekommen, und er hat gesagt, dass sie ihn schon seit einer Woche nicht mehr bezahlt hatte. Er sollte sie später abholen. Es hat ihn geärgert, weil er nicht viel trinken konnte, wenn er in der Stadt herumfuhr. Dabei hat er ganz gern getrunken, wenn er stundenlang nur dasitzen und warten musste. Er hat dann in der Kutsche geschlafen, und ich habe ihm was zu essen eingepackt.« Ihre Stimme brach. »Dann ist er losgefahren, um sie zu holen... und ist nicht mehr zurückgekommen.«
Sie verstummte und ließ sich im Schaukelstuhl zurücksinken.
Katherine hatte also den Anschein erwecken wollen, sie hätte sich in jener Nacht anderswo aufgehalten. Wahrscheinlich hatte sie gehofft, dass ihr niemand zu dem Wildhüterhaus gefolgt war. Wen hatte
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