In der Glut der Leidenschaft
sprechen«, warnte er, als sie dazu ansetzte. »Du wanderst zu jenem Tag zurück, ohne die Ablenkungen und ohne jenem Risiko.« Rein zählte rückwärts und achtete darauf, ob Michaela auch diesen Traumzustand annahm und sich seinen geistigen Kräften überließ.
Ihre verkrampften Finger entspannten, ihre Lippen öffneten sich, und ihr Körper sank tiefer in die Kissen.
Durch den Klang seiner Stimme versetzte er sie zurück in die Kirche, zurück zu jenem Moment, in dem der Priester auftauchte. Er führte sie durch Korridore und Torbögen, machte sie wieder mit der Umgebung vertraut, ließ sie die Kerzen sehen und den Boden unter den Füßen spüren. Und als der Priester vor ihr erschien, leitete er sie zu der Gestalt, die hinter dem Geistlichen in der Dunkelheit lauerte.
»Ein Mann, ja, es ist ein Mann. Seine Hände sind groß.«
»Sag mir genau, was du siehst. Er kann dir nichts tun. Du beobachtest das alles nur.«
»Er trägt einen Umhang mit einer Kapuze. Es ist nichts zu erkennen.«
»Bleib ruhig, meine Süße, atme.« Als sie gehorchte, fuhr er fort: »Sieh ihn dir genau an.«
»Er trägt Stiefel«, flüsterte sie. »Da ist etwas am Absatz.«
»Schmutz? Lehm? Sporen?«
»Nein.« Sie runzelte die Stirn. »Es sieht nach Ziffern oder Buchstaben aus, doch sie sind zu klein, als dass ich sie erkennen könnte.«
Er hörte die Enttäuschung in ihrer Stimme und beruhigte sie wieder. »Noch etwas, Michaela?«
Sie schüttelte den Kopf, und Rein beschloss, sie wieder zurückzuholen, bevor es zu dem Mord kam. Langsam zählte er vorwärts und versicherte ihr, dass sie in Sicherheit war, dass er bei ihr war und ihr keine Gefahr drohte.
Michaela blinzelte, während sie sich orientierte, und sah ihn an. »Du bist ein erstaunlicher Mann, Rein Montegomery«, flüsterte sie und drehte sich auf die Seite.
Lächelnd nahm er das Lob entgegen. »Freust du dich darüber, dass du mit mir verheiratet bist?«
In seinen Augen fand Michaela eine Verletzlichkeit, die ihr sagte, dass sein Abwehrpanzer einen Sprung bekommen hatte. Seine Frage ging viel tiefer, als es auf den ersten Blick schien. »Ja, ich freue mich, mit dir verheiratet zu sein«, versicherte sie und streichelte seine Wange.
Als er sich zu ihr beugte, blickte sie auf seinen Mund.
»Verheiratet? Mit wem?«, rief eine Stimme hinter ihnen plötzlich.
Rein hob ruckartig den Kopf.
Michaela setzte sich auf. »Onkel Rusty!«, rief sie, sprang vom Sofa und warf sich dem massigen Mann in die Arme. Er hob sie vom Boden hoch und drückte sie fest an sich.
»Himmel, Mädchen, ich dachte, du wärst tot!«
»Ach, Rusty, ist das schön, dich zu sehen!«
Rein räusperte sich, doch die beiden achteten nicht auf ihn.
Townsend stellte sie wieder auf die Beine und betrachtete sie prüfend. »Geht es dir gut?«
»Ja«, versicherte sie und umarmte ihn noch einmal.
»Michaela«, sagte Rein und wünschte sich, er könnte ihr ein so strahlendes Lächeln entlocken.
»Rusty und mein Vater stammten aus demselben Dorf und wuchsen zusammen auf. Ich habe ihn seit dem Tod meines Vaters nicht mehr gesehen.«
»Ich war sehr traurig, als ich es erfuhr.« Er tätschelte ihr befangen den Rücken, und sie drückte sich noch einmal an ihn, ehe sie zurückwich.
Townsend wandte sich an Rein. »Stimmt es, dass Ihr meine Micky geheiratet habt?«
»Micky?«, fragte Rein lächelnd.
Michaela errötete und stieß Rusty an.
»Dann stimmt es also?« Sie drehten sich zu Temple Matthews um, der in der Tür stand.
»Einer meiner Kapitäne«, erklärte Rein. »Du bist ja zeitig zurück«, sagte er zu Temple.
»Du bist verheiratet!« Er blickte zwischen Rein und Michaela hin und her.
»Allerdings.«
»Lieber Himmel...« Er nahm sich zusammen. »Verzeiht, Madame«, bat er und verbeugte sich. »Das ist für mich ein ziemlicher Schock, da Rein geschworen hatte, nie wieder zu heiraten.«
»Tatsächlich?«
»Ich will alles erfahren«, verlangte Rusty. »Sofort.«
»Ich glaube nicht, dass Euch das etwas angeht.«
»Wäre Michaelas Vater hier, würdet Ihr ihm an meiner Stelle antworten«, erwiderte Rusty starrsinnig.
»Da er nicht hier ist, stehe ich ihr so nahe wie nur möglich.«
Michaela lächelte in sich hinein.
Rein sah Sergeant Major Townsend finster an. Temple wusste gar nicht, auf wen er am meisten achten sollte.
»Vielleicht später«, wehrte Rein ab. »Jetzt müssen wir über wichtige Dinge sprechen.«
Michaela stemmte die Hände in die Hüften. »Rein, was hast du mit Rusty zu
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