In der Glut der Leidenschaft
bekreuzigte sich und betrat den Mittelgang. Pater Joseph blieb stehen und stützte sich auf eine Kirchenbank.
»Guten Tag, Pater.«
»Geht, Kind.«
»Das kann ich nicht. Ich muss ihn hier treffen.« Sie sah sich nach Nickolas um.
Der Geistliche verzog das Gesicht und presste die Lippen so fest zusammen, dass sie nur einen weißen Strich bildeten. Dann beugte er sich vor, als wollte er ihr etwas ins Ohr flüstern. Sie neigte den Kopf. Plötzlich fiel er gegen sie. Michaela wankte und stützte ihn an den Schultern und sah den Messergriff aus seinem Rücken ragen.
»Um Himmels willen.« Sie versuchte, in der Dunkelheit den Mörder auszumachen, wurde jedoch durch den schweren Körper zu Boden gedrückt. »Pater! Pater!« Sie hielt ihn in den Armen und wagte nicht, das Messer herauszuziehen, um ihn nicht noch schwerer zu verletzen.
»Lauf, Kind«, stieß er hervor, krallte sich an ihrem Arm fest und holte ein letztes Mal Luft. »Lauft.«
Er sackte schlaff gegen sie. Michaela befreite sich von dem Toten und lief zum Altar. Dabei zog sie die Pistole. Schnelle Schritte folgten ihr. Sie raffte die Röcke und rannte zur Tür. Der Riegel klemmte. Sie zerrte und zog daran. Die Schritte kamen näher. Noch ein harter Ruck am Riegel. Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, und die Tür flog auf. Michaela rannte durch einen schmalen Durchgang zur Straße, ohne sich umzudrehen. An der Ecke rutschte sie auf dem Schmutz aus, hielt sich an der Wand fest und hielt Ausschau nach vertrauten Gesichtern, Soldaten oder Polizisten. Dann erst mischte sie sich mit gesenktem Kopf unter die Passanten. An der nächsten Seitenstraße packte jemand sie an den Schultern. Sofort richtete sie die Waffe auf seine Magengrube und hob den Kopf.
»Nickolas!«
»Joseph wird sich aufregen, wenn du abdrückst.«
Sie zog sich in einen leeren Hauseingang zurück. »Er ist tot«, sagte sie tonlos und steckte die Pistole weg. »Pater Joseph ist tot.«
Er fluchte und zog sie mit sich von der Kirche weg. »Hat dich jemand gesehen?«
Sie überlegte.
»Es war zu dunkel.«
»Das wollen wir hoffen.« Er drückte sie fest an sich und machte so lange Schritte, dass sie neben ihm laufen musste »Der Mörder war hinter dem Schutzengel her.«
Sie verzog keine Miene, weil sie das Risiko kannte. »Ich passe schon auf mich auf. Wusste jemand, dass wir uns dort treffen würden?«
»Nein, aber es ist ein Treffpunkt für die anderen. Das ändert nun vieles, Michaela. Der Pater half mir bei der Suche nach dem Verräter. Ich muss dich von hier wegschaffen. Erwarte mich oder den >Händler<. Keinen anderen, ist das klar?«
»Ja, natürlich«, erwiderte sie betroffen. »Das Schlimmste hast du aber noch gar nicht gehört.«
Ein Schrei gellte. Dann riefen Leute durcheinander. Der Aufruhr fand ganz in der Nähe statt. Soldaten liefen in Scharen zur Kirche.
»Geh, geh!«, drängte Nickolas, als sie ihm etwas sagen wollte. »Triff mich in vier Tagen im Red Badger.«
Sie flohen in entgegengesetzte Richtungen, rannten zwischen Leuten durch, duckten sich hinter Kutschen und Verkaufsstände und tauchten erneut ins Gewühl ein. Michaela sah sich um, ging langsamer und hielt sich die schmerzende Seite.
Soldaten schwärmten durch die Straßen, hielten unschuldige Menschen an und überprüften ihre Gesichter. Michaela beeilte sich, lief, ging ein Stück und lief wieder. Schließlich sprang sie hinten auf eine fahrende Kutsche auf und verstauchte sich beinahe den Fuß, als sie wieder absprang. Erleichtert überquerte sie die Straße zur Suppenküche. Als sie um die Ecke bog, wischte sie sich mit dem Saum des Mantels über das verschwitzte Gesicht und sah sich nach Argyle um. Er war nicht hier. Danach warf sie einen Blick in das heruntergekommene Lagerhaus und betrachtete die Leute, die eine warme Schlafstelle suchten. Cassandra war nicht mehr da, aber vielleicht hielt sich der Major noch in der Nähe auf, um sie zu belästigen.
»Einkaufen gewesen?«
Sie stieß einen Schrei aus und wirbelte mit der Pistole im Anschlag herum. »Mach das nie wieder!«, rief sie und versetzte Argyle einen Stoß. »Niemals wieder!«
Er zog sie lächelnd an den Schultern zu sich heran. »Ich weiß nicht, was du im Schilde führst, Mädchen«, sagte er leise, als er sie beben fühlte. »Aber ich bringe dich nach Hause.«
Sie nickte, wich zurück, steckte die Pistole weg und stieg neben ihm auf den Karren. Argyle sah sie besorgt an und ruckte an den Zügeln. Der Karren setzte sich in Bewegung, und
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