In der Glut der Leidenschaft
weg und bring dann ein anderes Tablett. Und beeil dich!« Er wich zurück und schloss die Tür.
Es folgte ein erhitztes, leises Gespräch, und während Michaela eilig aufräumte, hörte sie »eine Plage« und »so ein völlig ungeschicktes Wesen«. Ihr Onkel wurde bemitleidet, weil er eine solche Frau im Haus hatte. Sie wischte die Tränen von den Wangen und sammelte die Scherben ein.
»Ach. Miss«, sagte Agnes voll Mitgefühl.
»Es ist schon gut, Agnes. Tut mir nur Leid um das Geschirr.«
»Macht Euch deshalb keine Gedanken, meine Liebe. Geht nach oben und säubert Euch. Ich erledige das hier.«
Michaela schniefte und nickte, legte einen gesprungenen Deckel auf das Tablett und ging zur Treppe. Ihr Gesicht brannte von dem Schlag, und während sie nach oben eilte, hoffte sie nur, dass man keine Spuren sah.
Argyle bekommt einen Tobsuchtsanfall, dachte sie. Wenn er auch nur ein Wort gegen ihren Onkel sagte, wurde er gefeuert, aber sie brauchte ihre wenigen Freunde. In ihrem Gemach angekommen, verschloss sie die Tür. Das Feuer im Erdgeschoss wärmte über Röhren auch ihr Zimmer. Sie kniete neben dem kleinen Ofen und lauschte auf die Stimmen, die durch die Röhren zu ihr drangen. Sie brauchte noch mehr Informationen, und dies war die einzige Möglichkeit, weil sie nicht wieder vor dem Arbeitszimmer lauschen konnte.
»Die Victoria«, hörte sie. »... Tausende Pfund ... für den Zugriff.«
Pfunde wovon? Schießpulver? Munition? Nein. Die Victoria brachte Nachschub und Bezahlung für die Männer, die bereits in Amerika kämpften. Lieber Himmel, dachte sie, mit »Pfund« waren Pfund Sterling gemeint.
Michaela schnappte nur zusammenhanglose Wortfetzen auf und hätte den Männern am liebsten zugeschrien, sie sollten nicht durch den Raum gehen, sondern in den Ofen sprechen. Plötzlich erfüllte ihr einer den Wunsch.
»Wir müssen uns ihren Forderungen ohnehin beugen. Es wird bald vorüber sein.«
Wollte England die Rechte der Amerikaner anerkennen? Oder nur diese Männer? Aber was war das für eine schwache Rechtfertigung für einen Diebstahl!
»... in drei Monaten segeln, und... keiner von uns der Kapitän ist, müssen wir Gewalt anwenden.«
Michaela holte scharf Atem. Sie wollten das Geld rauben, mit dem ihre eigenen Truppen mit Nahrung und Kleidung versorgt werden sollten? Die Soldaten gehorchten nur den Befehlen und dienten König und Vaterland.
Einen Moment wog sie gegeneinander ab, was es bedeutete, den Feind mit Informationen zu versorgen oder die eigenen Truppen zu bestehlen, die bereits seit Monaten keine richtigen Rationen mehr erhalten hatten. Diese fünf britischen Offiziere wollten ihre eigenen Landsleute hungern und deren Familien in den Schuldturm wandern lassen. Sie handelten aus bloßer Gier, obwohl sie sowieso schon mehr als die meisten Menschen besaßen.
Und wenn sie das Schiff überfielen, mussten sie alle an Bord töten, um keine Spuren zu hinterlassen. Vor Zorn ballte sie die Hände zu Fäusten. Dafür sollten diese Männer erschossen werden, doch es handelte sich nur um einen Plan. Ein Gespräch war kein Beweis.
Solange der Angriff auf das Schiff nicht erfolgte, hatte sie nichts gegen sie in der Hand.
Nickolas dagegen konnte vielleicht etwas unternehmen.
Er war der Einzige, der diese Information den richtigen Leuten Zuspielen konnte, Leuten, die sich auf diesen Angriff vorbereiten würden.
Die Unterhaltung lief gedämpft weiter, und Michaela beugte sich weiter vor, um noch etwas zu hören. Das Feuer im Ofen knisterte, und sie sog prüfend die Luft ein und blickte an sich hinunter. Ihr Kleid war in Brand geraten.
»Lieber Himmel!«
Sie schlug auf den glosenden Stoff, doch die Glut breitete sich aus. Wunderbar, dachte sie, sprang auf und lief zum Wasserkrug auf der Kommode, griff danach und leerte ihn über dem Kleid aus. Der Stoff rauchte. Seufzend fasste Michaela sich an die Stirn und hinterließ einen Rußfleck. Es war wirklich sehr ärgerlich, wie sie das Pech anzog. Wie sollte sie bloß diese Revolution überleben?
Schließlich kehrte sie zum Ofen zurück, achtete auf den nötigen Abstand und lauschte, bis die Männer sich trennten. Dann stieg sie die Hintertreppe mit einem bunten Schal in der Hand zum Dachboden hinauf.
Kapitel 15
Michaela beugte sich weit über den brodelnden Kessel tauchte die Schöpfkelle tief ein und füllte eine hölzerne Schale, die sie dem nächsten Kind reichen wollte. Es war ein Junge mit brauner Haut und langem schwarzem Haar. Ihr
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