In der Glut der Leidenschaft
ich eine Last bin.«
»Und ich bete dich an«, versicherte ihr Bruder »Allerdings musst du Zurückhaltung lernen. Wie Michaela.«
»Ich bin nur zurückhaltend, weil ich keine Freiheit habe«, entgegnete Michaela.
»Bitte, Michaela, ich kenne Euch nun seit über zehn Jahren. Nennt mich Adam. Ich höre meinen Namen so selten, dass ich ihn fast vergesse. In ein oder zwei Tagen werde ich Eurem Onkel eine Nachricht schicken, dass ich aufgehalten werde und Ihr Cassandra unbedingt noch Gesellschaft leisten müsst.«
Sie lächelte. »Lügt nicht für mich, Adam.«
Cassandra drückte ihre Hand. »Er lügt für mich.«
Michaela blickte aus dem Fenster, hatte jedoch keinen Blick für die Landschaft übrig. Sie selbst log und benutzte die beiden. In zwei Tagen sollte sie sich mit Nickolas treffen, und sie hoffte, dass Cassandra ihr helfen würde, wollte die Freundin jedoch nicht in ihre Probleme verstricken. Sie sollte nur für Ablenkung sorgen.
Michaela lehnte sich gegen das Fenster. Sie ahnte, dass sie nicht mehr lange als Spionin nützlich sein würde. Es war durchaus möglich, dass ihre wahre Identität aufflog. Und dann würde man sie ganz unauffällig eliminieren.
Kapitel 17
Michaela spürte, dass jemand sie beobachtete. Verstohlen sah sie sich um und achtete nicht auf Cassandras Plaudern, während sie an den eleganten Geschäften entlanggingen. Adam Whitfields Page und der bewaffnete Kutscher begleiteten sie, doch noch jemand achtete auf jede ihrer Bewegungen.
»Du bist sehr still«, sagte Cassandra.
Michaela lächelte ihr zu. »Du lässt mich ja kaum zu Wort kommen.«
»Ich freue mich einfach darüber, dass ich mit dir unterwegs bin.«
»Ich freue mich auch.« Michaela seufzte und betrachtete die Kleider im Schaufenster. »Es ist schon lange her, dass ich einkaufen war.«
»Dann wollen wir.« Bevor Michaela sie zurückhalten konnte, betrat Cassandra ein Geschäft. »Vielleicht französische Dessous?« Sie hob ein hauchdünnes Unterhemd mit Satinbesatz hoch und hielt es an ihre schlanke Gestalt.
»Wozu denn das?«, wehrte Michaela ab, obwohl sie sich insgeheim nach einem dermaßen frivolen Kleidungsstück sehnte.
»Es ist so herrlich sündig«, flüsterte Cassandra ihr mutwillig zu.
»Du wirst zum Stadtgespräch, wenn du das nicht aus der Hand legst.« Michaela deutete zum Schaufenster. Captain McBain stand davor und ließ sie beide nicht aus den Augen.
Cassandra schwenkte das durchsichtige Kleidungsstück, und McBain wurde rot und wandte sich missbilligend ab.
»Du bist schamlos, Randi«, zischte Michaela und nahm ihr
das Unterhemd aus der Hand. »Du willst den armen Mann nur reizen.«
»Vermutlich hat er so etwas noch nie gesehen.« Sie wandte sich zum Schaufenster. »Ich wette, er zieht sich nur in der Dunkelheit aus und war noch nie mit einer Frau zusammen, sonst wäre er nicht so verklemmt.«
»Er ist ein wahrer Gentleman, und du solltest dich anständig benehmen.«
»Fang du nicht auch noch damit an«, stöhnte Cassandra und verließ das Geschäft. »Ich hatte gehofft, in dir eine Verbündete zu finden!«
»Vergiss es. Du brauchst keine Hilfe, um dich selbst in Schwierigkeiten zu bringen.« Schon zweimal an diesem Vormittag hatte sie Cassandra an ihrer Seite gewähnt und entdeckt, dass sie verschwunden war. Und sie hatte ihre Freundin in ziemlich anrüchigen Gegenden suchen müssen.
Sie näherten sich dem Laden einer Modistin. »Siehst du, wie die Männer dich anstarren?«
Michaela warf ihrer Freundin einen Blick zu. »Ich bin zu alt für solche Fantasien.« Sie war beinahe schon eine alte Jungfer und machte sich über ihr Aussehen keine Illusionen.
»Du müsstest einmal ordentlich geküsst werden«, behauptete Cassandra.
»Wie bitte?«
»Geküsst. Du weißt schon - wenn man Lippen auf Lippen drückt«, sagte sie amüsiert. »Vor allem mit jemandem vom anderen Geschlecht.«
Michaela dachte an Rein und die Lust, die sein Mund schenkte, und ihr wurde trotz der Kälte warm.
»Vielleicht mit ihm«, sagte Cassandra.
Michaela blickte an ihr vorbei. Rein! Er saß auf seinem Rappen und blickte über die Straße herüber. Imposant hob er sich auf dem Pferd vor der weißen Mauer ab. Sein Blick glitt über ihre Kleidung, und er lächelte andeutungsweise, als wollte er
sagen, dass er sie so lieber sah als in der Kleidung eines Jungen.
Der Wind spielte mit einer Strähne ihres Haars. Michaela schob sie zurück, und Rein verfolgte die Bewegung. Ihr Herz I schlug schneller.
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