In der Glut der Leidenschaft
Sie wollte nicht daran denken, dass er etwas mit ihrem Onkel zu tun hatte und noch immer unter Mordverdacht stand.
»Vielleicht hat er dich schon geküsst.«
»Nein!«, log Michaela. »Wieso sollte er?«
»Offenbar erkennst du nicht das Verlangen in den Augen eines Mannes, vor allem dieses Mannes.«
Rein war wieder verschwunden. Michaela wandte sich an Randi. »Und wen hast du geküsst, dass du Verlangen erkennst, wenn ich fragen darf?«
»Du darfst nicht.« Cassandra blieb vor einem Schaufenster stehen.
»Randi, ich möchte nicht, dass du einen Mann reizt«, warnte sie. »Das ist gefährlich.«
»Es war eigentlich nur ein Junge«, gestand Cassandra befangen. »Ich war vierzehn. Es war nett. Der Kuss eines Mannes ist bestimmt noch viel schöner.«
Michaela packte sie am Arm und drehte sie zu sich herum. »Schwöre mir, dass du das nicht ausprobierst!«
»Was ist denn mit dir?«, fragte Cassandra erstaunt.
Ein Schuss krachte. Jemand schrie. Die Schaufensterscheibe platzte. Scherben ergossen sich über die beiden Frauen und das Pflaster. Leute flohen, während Michaela ihre Freundin zum Eingang zog und zu Boden drückte. Erst jetzt sah sie Blut auf Randis Ärmel.
»Um Himmels willen!«, stieß sie hervor, fasste unter die Röcke und riss einen Streifen ihres Unterrocks ab.
Pfiffe gellten. Polizisten und Soldaten liefen auf sie zu. Cassandra starrte auf den Blutfleck, der sich ständig vergrößerte. »Ach, du liebe Zeit! Meine Brüder werden sehr böse auf mich sein.«
»Das ist doch nicht deine Schuld.« Michaela band den Arm ab, sah sich um und wünschte sich, ihre Waffe nicht in Cravenwood zurückgelassen zu haben, weil sie kein passendes Versteck dafür gefunden hatte.
Captain McBain tauchte vor ihnen auf und schützte sie beide mit seinem Körper. »Mein Gott, Cassandra!«
Sie lächelte ihn schwach an. »Ach, Captain Steif, schön, dass Ihr hier seid.«
Michaela streckte die Hand aus und wollte hastig die Tür des Geschäfts öffnen, als auch schon ein zweiter Schuss krachte. Die Kugel schlug über ihrem Kopf ins Holz. Offenbar war sie das Ziel! Captain McBain hielt seine Waffe in der Hand und musterte scharf die umliegenden Gebäude. Leute starrten zu ihnen herüber, als warteten sie auf noch mehr Blut. Michaela musste weg von hier, weg von Menschen, die versehentlich von einer Kugel getroffen werden konnten, Sie erhob sich.
Duncan zog sie wieder herunter. »Bist du verrückt? Die erschießen dich!«
Sie packte ihn an der Jacke und schüttelte ihn rau. »Hört zu, Duncan.« Sie deutete auf Randis Wunde. »Das ist nur ein kleiner Vorgeschmack dessen, was noch geschieht, wenn ich nicht sofort fliehe!«
»Du bist verstört«, sagte er beruhigend.
Sie schüttelte den Kopf. »Versteckt sie, versorgt ihre Wunde und schützt sie, aber schickt niemanden hinter mir her. Schwört es mir beim Grab meines Vaters!«
Er sah ihr forschend in die Augen. »Worauf hast du dich eingelassen, Michaela?«
»Schwört!«
»Ja, ich schwöre!«
Sie beugte sich zu Cassandra und flüsterte: »Du hast dich nach Aufregung gesehnt, Randi. Bist du jetzt glücklich?«
Cassandra stöhnte, und Duncan wurde blass. Michaela nutzte die Gelegenheit und floh mitten in die Menschenmenge
hinein. Duncan fluchte hinter ihr her und gab einigen Soldaten ein Zeichen, die ihr daraufhin folgten.
»Erinnert mich daran, nie Euren Schwüren zu glauben«, sagte Cassandra schleppend.
»Schweigt, Lady Whitfield«, fauchte er sie zornig an. »Ihr seid zu einem klaren Urteil nicht in der Lage.«
Die Kutsche der Whitfields hielt neben ihnen. Der Kutscher lief zu ihnen, der Page sprang vom Bock, um die Tür zu öffnen. Duncan steckte seine Waffe weg, hob Cassandra hoch und trug sie in die Kutsche. Während das Gefährt anrollte, hielt er sie auf dem Schoß und musterte die Straße. Bestimmt bereute er seinen Schwur.
»Sie wird es überleben«, flüsterte Cassandra. Duncans Hand zitterte, als er ihr die Haare aus dem Gesicht strich. »Sie ist viel stärker als wir alle.«
Duncan hielt sie fest an sich gedrückt und betete, dass Michaela Denton nicht nur mutig, sondern auch klug war.
Michaela hörte Rufe und laute Schritte hinter sich. Verdammt, Duncan, dachte sie, blickte zurück und entdeckte mehrere Soldaten, die sie suchten. Sie war in dem Kleid und mit dem von Cassandra geliehenen Mantel viel zu auffällig, wirkte zu reich und lockte Diebe geradezu an. Ein Mann griff nach ihr, und sie trat nach ihm und riss sich los. Die Kapuze
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