In der Hitze der Nacht
ein paar Minuten, stellte dann das Wasser ab und trocknete sich ab. Er hörte keinen Laut mehr von nebenan. Also ging er hinüber und fand Jessie auf dem Bett sitzend vor. Sie starrte auf ihr Handy.
„Alles in Ordnung, Baby?“, fragte er.
Sie schaute ihn mit glasigen Augen an. „Ja klar, nur wieder einmal eine Sackgasse, weiter nichts.“
Rick ahnte, dass sie ihm etwas verschwieg. „War deine Freundin am Telefon?“
Jessie lachte bitter auf, als hätte er einen schlechten Witz gemacht. „Darlene war zwar am Telefon, aber nicht die Darlene, die ich kannte.“ Sie steckte das Handy in ihre Tasche. „Sie hat ganz offensichtlich die Fronten gewechselt.“
„Ich verstehe nicht ganz.“ Er setzte sich zu ihr.
Jessie reckte ihr Kinn in die Höhe. „Darlene und ich waren seit der Grundschule miteinander befreundet. Sie war eine der wenigen, die mir während meiner Scheidung beigestanden haben.“ Sie versuchte, ihre Tränen zu unterdrücken, und spannte die Schultern an. „Ich glaube, in den letzten Jahren hat sich einiges verändert. Sie hat sich mit Sam Reynolds eingelassen, einem von Wades alten Kumpeln, und sie meinte jetzt, es wäre keine gute Idee, weiterhin mit mir Kontakt zu haben.“
Rick schüttelte verständnislos den Kopf. „Ihr seid jetzt also keine Freundinnen mehr?“
„Sie ist meine Trauzeugin gewesen“, erwiderte sie und drehte ihr Gesicht zur Wand. „Von allen Leuten waren es sie und Georgia …“ Sie stand ruckartig auf, nahm ihre Kleider und begann sich anzuziehen. „Ist doch egal.“
Rick spürte genau, dass ihr Darlene nicht egal war. Er konnte nicht verstehen, warum manche Menschen Jessie mieden, nur weil sie sich hatte scheiden lassen. Es musste noch etwas anderes dahinterstecken.
„Ich begreife das nicht, Jess. Was haben diese Leute nur? Wir leben im 21. Jahrhundert. Paare lassen sich andauernd scheiden.“
„Es ist nicht allein die Scheidung.“ Sie zog ihr schwarzes Top über den Kopf und stopfte es unter den Gürtel. „Ich habe dazu beigetragen, dem Helden des Ortes eine Niederlage beizubringen.“
„Ein verurteilter Autodieb war der Held eures Ortes?“
Jessie setzte sich und schlüpfte in ihre schwarzen High Heels. „Ich glaube, ich muss dir einiges erklären. Also, mit meiner Heimatstadt Tulouse ist es stetig bergab gegangen, seit in den achtziger Jahren die Holstead Equipment Company Bankrott anmelden musste. Fast jeder am Ort hat dort gearbeitet, und nachdem die Firma dichtmachte, zogen die Leute massenhaft weg. Häuser und Geschäfte standen leer, nur ein paar Landwirte blieben mit ihren Familien und bewirtschafteten weiterhin ihr Land. Tulouse war nicht gerade ein Ort, an dem ein Kind unbeschwert groß werden konnte. Die Leute waren arm, und es gab kaum genug Kinder, um mit ihnen jedes Jahr eine neue Schulklasse zu füllen. Aber während Wades letztem Schuljahr – ich war drei Klassen unter ihm – ist das Footballteam aufgestiegen.“
Jessie lehnte sich zurück und lächelte wehmütig. „Du hättest die Leute sehen sollen. Stan Archer, Johnny Lane und insbesondere Wade waren die schillerndsten und besten Spieler des Teams. Sie alle waren Helden. Tulouse kam wieder zu Ansehen, und die Leute hatten etwas, worauf sie stolz sein konnten. Bis zum heutigen Tag werden die drei Spieler wie Könige hofiert. Die Leute haben einfach die Tatsache ignoriert, dass die Jungs Autos gestohlen haben.“
„Nur du nicht.“
Ihre Augen funkelten wütend. „Für mich sind Helden Männer wie mein Vater, der seinem Land gedient hat, statt es zu bestehlen.“ Sie schüttelte angewidert den Kopf. „Und kein Held würde von seiner Frau verlangen zu lügen, nur um seine Haut zu retten.“
„Wollte Wade, dass du die Polizei belügst?“
„Er hatte gar nicht die Zeit, mich zu bedrängen. Man hat mich verhört, und ich habe von Anfang an die Wahrheit gesagt. Was hätte ich denn sonst tun sollen? Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass wir irgendetwas zu verbergen haben. Als Wade erfuhr, dass ich noch nicht einmal versucht hatte, ihn zu decken, war er von einem Tag auf den anderen wie verwandelt und behandelte mich schlecht.“
Ihr Gesicht nahm einen schmerzlichen Ausdruck an. „Die Leute haben keine Ahnung, wie Wade sein kann.“ Sie schaute Rick an. „Hast du schon mal gesehen, mit welcher Aggression manche Footballspieler ihre Gegner niedermachen?“
Er verstand, worauf sie hinauswollte.
„Wade war alles andere als ein Held. Aber je öfter ich das aussprach,
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