In der Hitze der Nacht
aber daran wollte er jetzt nicht denken. Dieser Nachmittag mit seinem Vater hatte Rick gezeigt, dass er sein Leben nicht mehr von Kummer und Schmerz beherrschen lassen wollte. Er wollte nicht mehr in Selbstmitleid versinken, sondern die Vergangenheit behutsam, aber bestimmt hinter sich lassen.
Willst du euch nicht eine Chance geben? Die Worte seines Vaters klangen ihm noch in den Ohren. Jessie war intelligent und weitsichtig, er durfte sie nicht wie ein Kind behandeln. Sie sollte entscheiden, ob sie eine Beziehung mit ihm eingehen wollte oder nicht.
Als er mit seinen Eltern beim Essen saß, klingelte sein Handy.
„Bitte keine Telefongespräche beim Essen“, sagte seine Mutter.
Er zog es trotzdem aus der Hosentasche und sah auf dem Display Kevins Nummer. Rick stand auf. „Verzeihung, aber das muss jetzt leider sein.“
Er nahm das Gespräch an, ging schnell vors Haus und meldete sich erst dann mit einem fragenden „Ja“.
„Wir haben dein Auto gefunden“, verkündete Kevin.
„Wo?“, fragte Rick freudig erregt.
„In Arizona. In Flagstaff. Es stand unter einer Brücke und befindet sich jetzt auf einem umzäunten Gelände für gestohlene und beschlagnahmte Fahrzeuge. Rate mal, was die örtliche Polizei im Kofferraum gefunden hat!“
Rick fuhr sich mit der Hand durchs Haare. „Was meinst du? Wie lange brauche ich von meinen Eltern dorthin?“
„Wenn du noch einen Spätflug bekommst, kannst du morgen früh dort sein.“
„Wann schließen sie das umzäunte Gelände auf?“
„Das kann dir egal sein. Die Kollegen in Flagstaff wissen Bescheid und werden dir sofort aufschließen.“
Ricks Herz hämmerte. Der Tag wurde ja immer besser! „Kevin Fong“, sagte er begeistert, „ich glaube, das Glück ist jetzt wieder auf unserer Seite!“
18. KAPITEL
„Wie läuft es denn so im Laden?“ Jessie, die jetzt schon eine ganze Woche in Texas war, wanderte im Wohnzimmer ihrer Eltern auf und ab und ließ sich von Georgia auf den neusten Stand bringen.
„Deine Sachen sind fast ausverkauft, Jess. Ich habe die letzten Taschen in die Regale gestellt – es sind noch fünf oder sechs. Ein paar Gürtel sind auch noch da. Ach ja, und du hattest eine Unmenge von Nachrichten auf dem Anrufbeantworter. Ich habe mich bei den meisten Anrufern schon gemeldet und gesagt, dass du in einer dringenden Familienangelegenheit verreisen musstest. Lange werden wir die Leute allerdings nicht mehr hinhalten können, fürchte ich. Wann kommst du zurück?“
In diesem Moment kam Jessies Stiefbruder Trip herein, ließ sich auf die Couch fallen und schnappte sich die Fernbedienung. Er trug immer noch die Kleider vom Vortag und roch etwas streng. Jessie hatte ihn von ihren beiden Stiefbrüdern immer am wenigsten leiden können. Sie setzte sich in einen Sessel.
„In ein oder zwei Tagen“, informierte sie Georgia. „Ich habe morgen einen Termin mit meinem Anwalt. Es hat eine Weile gedauert, bis er meine Akte gefunden und gelesen hat. Nach meinem Treffen mit ihm kann ich den Rest bestimmt von San Francisco aus erledigen.“
Wenigstens hoffte sie das. Hier fiel ihr bereits die Decke auf den Kopf: Das Haus war einfach zu klein für sie alle. Ihre beiden Stiefbrüder lebten auch noch hier, obwohl sie bereits auf die dreißig zugingen.
Trip schaltete den Fernseher an und öffnete eine Dose Bier. Der Schaum rann ihm über seine derben, schwieligen Hände, und Bier tropfte auf den Teppich. Er trank die Dose in einem Zug aus und schaltete den Ton extra laut.
„Was ist denn das für ein Geräusch?“, fragte Georgia.
„Trip ist gerade nach Hause gekommen.“
„Grüß ihn von mir.“
Jessie blickte zu Trip. „Georgia lässt grüßen.“
Er antwortete mit einem lauten Rülpsen.
„Toll“, murmelte sie, erhob sich vom Sessel und ging in ihr altes Kinderzimmer, das ihrer Mutter jetzt als Nähzimmer diente, um das Telefonat fortzusetzen. Sie schloss die Tür und setzte sich auf die Couch.
„Ich werde hier noch verrückt. Ray redet die ganze Zeit davon, dass er eine Wohnung in Dallas mieten und dort eine Umschulung zum Versicherungskaufmann machen wolle. Das Geld, das ich ihnen von der Erbschaft abgegeben habe, ist längst aufgebraucht. Meine Mutter arbeitet zwar, aber die Jungs fressen ihr die Haare vom Kopf.“
„Hört sich so an, als hätte sich nichts verändert.“
„Nur dass mein Stiefvater einen neuen Job hat. Meine Mutter kriegt von dem Verdienst jedoch nichts zu sehen. Wenigstens ist er tagsüber aus dem Haus.“
Jessie
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