In der Hitze der Nacht
Stimme hauchig, verführerisch.
»Ja.« Mar konnte es nicht abstreiten, aber wie auch schon früher, als Nina und sie noch eine Beziehung gehabt hatten, hatte etwas gefehlt. Sie wußte nicht genau, was, aber sie wußte, daß sie es kürzlich gespürt hatte – aber nicht mit Nina. »Heute geht es auf keinen Fall. Wenn ich nach Hause komme, will ich nur noch schlafen. Die Nacht ist sowieso schon kurz genug.«
»Dann morgen«, sagte Nina. »Oder übermorgen. Ich halte mir gern einen Abend für dich frei.«
Mar atmete tief durch. »Ich habe keine Zeit«, sagte sie. »Sieh das doch ein. Ich brauche meinen Schlaf. Und es ist immer zu wenig.«
»Du willst mir doch nicht erzählen, daß du keinen Sex hattest seit – na ja, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.« Nina klang ungläubig.
»Das habe ich nicht behauptet«, sagte Mar, »aber –«
»Wie heißt sie?« Nina unterbrach sie sofort. Sie schnappte zu wie ein mißgelauntes Krokodil. »Für sie hast du Zeit, aber für mich nicht?«
Mar legte den Kopf auf die Lehne zurück. Wieso hatte sie sich nur verplappert? »Das geht dich nichts an«, sagte sie. »Wir sind nicht mehr zusammen.«
» Mein Wunsch war das nicht«, sagte Nina.
»Ich weiß«, sagte Mar. Aber wenn sie die Beziehung nicht beendet hätte, wäre sie verrückt geworden. Nina am Telefon zu haben war schon schlimm genug, aber die Ansprüche zu erfüllen, die sie an eine Beziehung stellte, war unmöglich. Zumindest dann, wenn man nicht vierundzwanzig Stunden am Tag für sie zur Verfügung stand.
»Also?« fragte Nina. Sie gab niemals so leicht auf. »Du hast jemand kennengelernt?«
»Nein. Ja. Es ist kompliziert.« Ich sollte einfach meinen Mund halten, dachte Mar. Was sie als Anwältin vor Gericht so gut konnte, fiel ihr privat manchmal schwer.
»Erzähl. Wie sieht sie aus?«
»Nina . . .« Mar seufzte. »Was soll das bringen?«
»Deshalb willst du dich nicht mit mir treffen«, konstatierte Nina messerscharf. »Warum hast du das nicht gleich gesagt?«
»So ist es nicht.« Mar seufzte erneut. »Es ist ganz anders als du denkst.«
»Ich komme heute abend bei dir vorbei und du erzählst es mir – nach der Massage.« Nina ergriff jeden Strohhalm, wenn es sich ergab. Darin war sie gut.
»Nein, Nina.« Mar richtete sich auf. »Wie oft soll ich dir noch sagen, daß ich keine Zeit habe? Und selbst wenn ich sie hätte, hätte ich dir nichts zu erzählen. Es geht dich einfach nichts mehr an.«
»Du bist so gemein!« Ninas Stimme klang tränenerstickt, aber Mar wußte, daß das nicht echt war. So hatte sie sie am Anfang immer rumgekriegt. »Nach allem, was ich für dich getan habe!«
»Fang nicht wieder damit an.« Mar fuhr sich müde über die Augen. »Ich habe dich nicht gebeten, hierher zu ziehen. Du wolltest es so. Es war ganz allein deine Entscheidung.«
»Weil du mir in Aussicht gestellt hast –«
»Ich habe dir gar nichts in Aussicht gestellt.« Mar unterbrach sie brüsk. Langsam hatte sie genug. »Eine Lüge wird nicht dadurch wahrer, daß man sie wiederholt. Das habe ich dir schon damals klarzumachen versucht.«
»Ich habe dich nicht betrogen«, entgegnete Nina verschnupft. »Das hast du dir nur eingebildet.«
»Ja, genau«, sagte Mar. »Wie die Höschen in unserem Bett, die weder von dir noch von mir stammten. Die sind einfach so dahingeflogen.«
»Mein Gott, ein Mal . . .« Nina tat wie die verkannte Unschuld. »Das kannst du mir doch nicht vorwerfen. Du warst nie da. Und wie man so schön sagt: ein Mal ist kein Mal.« Sie lachte, als hätte sie einen Witz gemacht.
»Man sollte nicht meinen, daß du Jura studiert hast«, seufzte Mar. »Mit so einer Argumentation würdest du vor Gericht keinen Blumentopf gewinnen.«
»Wir sind nicht vor Gericht, und ich will keinen Blumentopf, ich will dich«, sagte Nina, auf einmal wieder ernst.
»Die Aussichten sind sogar in der Berufungsverhandlung schlecht«, erwiderte Mar trocken. Abgesehen davon, daß sie davon überzeugt war, daß es mehr als nur ein Mal gegeben hatte, war das ja auch nicht alles. »Nur weil wir denselben Beruf haben, passen wir noch lange nicht zusammen«, fuhr sie fort. »Wir haben nie zusammengepaßt.«
»Am Anfang hast du das anders gesehen«, sagte Nina.
»Wir waren Studentinnen.« Mar atmete tief durch. »Mittlerweile sollten wir beide erwachsen geworden sein.«
»Wozu habe ich Jura studiert, wenn ich noch nicht einmal mein Recht auf dich einklagen kann?« Nina schien zum ersten Mal
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