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In der Hitze der Nacht

In der Hitze der Nacht

Titel: In der Hitze der Nacht
Autoren: Ruth Gogoll
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mehr allzugern an das Chaos ihrer Kindheit erinnern. Deshalb liebte sie jetzt die Ordnung. »Ja, natürlich.« Sie zuckte die Schultern. »Es tut mir leid, ich habe keinen. Ich trinke meistens Kaffee.«
    »Hoffentlich aus fairem Anbau«, sagte Dagmar – oder Sumi – Bauer.
    »Das hoffe ich auch«, sagte Tina. »Willst du einen?«
    »Ich trinke nur Mate«, entgegnete ihre Mutter. »Oder Wasser.«
    »Wasser habe ich.« Erleichtert, etwas gefunden zu haben, ging Tina in die Küche.
    Ihre Mutter kam ihr nach. »Wohnst du hier allein?«
    »Ja.« Tina nickte. »Ganz allein.« Ehrlich gesagt fand sie das äußerst angenehm nach den Matratzenlagern ihrer Kindheit, den ganzen WGs, Kommunen und Ashrams, in die ihre Mutter sie geschleppt hatte.
    »Du könntest jemand aufnehmen, der kein Geld hat«, sagte ihre Mutter, nachdem sie das Wasser, das Tina ihr reichte, mißtrauisch betrachtet hatte. Sie nahm jedoch trotzdem einen Schluck.
    »Nein«, sagte Tina. »Dafür ist das hier zu klein.«
    »Ich habe schon mit sechs Leuten in einem Zimmer gewohnt, das kleiner war als diese Küche hier«, sagte ihre Mutter.
    »Ich weiß«, sagte Tina. »Ich auch. Mit dir.« Sie betrachtete ihre Mutter genauer. Sie hatte sich nicht verändert. Selbst daß sie älter geworden war, sah man ihr kaum an. Sie wirkte immer noch wie ein junges Mädchen, abgesehen von einem leichten Anflug von Grau in ihren Haaren, die ihr bis zum Po reichten. »Seit wann bist du wieder in Deutschland?«
    »Seit zwei Wochen.« Dagmar Bauer schien es nicht schlimm zu finden, daß sie ihre einzige Tochter nicht als erstes besucht, sie noch nicht einmal informiert hatte.
    »Tatsächlich?« Tina nahm sich auch ein Glas Wasser und ging wieder ins Wohnzimmer. Sie setzte sich in einen Sessel.
    »Die Leute, die bei uns im Dschungel waren, um das Schulhaus für die Kinder zu bauen, haben mich mitgenommen«, erzählte Dagmar locker. Sie setzte sich auf den Boden. »Sie leben in Berlin.«
    »Du hättest mich anrufen können«, sagte Tina.
    »Ach, es war alles so hektisch.« Ihre Mutter winkte ab. »Das ist furchtbar hier in Europa. Ich bin das einfach nicht mehr gewöhnt. Ich bin nicht dazu gekommen. Aber als sich jetzt eine Mitfahrgelegenheit ergab, bin ich direkt hergefahren.«
    »Willst du hier übernachten?« fragte Tina. Sie befürchtete es.
    »Ich dachte, ich bleibe ein bißchen«, bestätigte Dagmar dann auch ihre Befürchtung. »Ich habe meine kleine Tochter so lange nicht gesehen.« Sie lächelte Tina harmlos an. »Wir sollten mal wieder etwas Zeit miteinander verbringen.«
    Tina wußte, daß sie die Gegenwart ihrer Mutter nicht lange würde ertragen können, schon gar nicht in den engen vier Wänden ihrer eigenen Wohnung, aber sie konnte ihre Mutter schließlich nicht einfach auf die Straße setzen. »Ich werde mich nach einem Hotelzimmer umschauen«, sagte sie. Daß ihre Mutter kein Geld hatte, war klar. Alles, was sie brauchte, würde Tina bezahlen müssen. »Ich habe kein Gästezimmer.«
    »Ich kann auf dem Boden schlafen«, sagte ihre Mutter. »Das macht mir nichts.«
    Dir nicht, dachte Tina, aber mir. »Auf die Dauer ist das zu unbequem«, sagte sie. »Ich finde schon ein Hotel.«

8
    T ina sah nicht besonders gut aus, als sie am nächsten Morgen zur Arbeit kam. Ihre Mutter war die Anstrengung in Person. Dagegen fiel selbst Geneviève weit ab.
    Sie ging auf ihren Schreibtisch zu und runzelte die Stirn. Was war das denn?
    Eine einzelne langstielige rote Rose lag quer über ihrer Arbeitsunterlage.
    Sie blickte auf. Susanne saß in ihrem Glaskasten und schaute sie an.
    »Heimlicher Verehrer?« Mechthild trat von hinten auf Tina zu und schaute ihr neugierig amüsiert über die Schulter.
    »Scheint so«, sagte Tina. Sie zog ihre leichte Jacke aus und hängte sie über den Stuhl. »Ich habe keine Ahnung.«
    »Du weißt nicht, von wem die ist?« Mechthild war verwundert.
    »Nein«, sagte Tina.
    »Ins Wasser stellen solltest du sie aber trotzdem.« Mechthild grinste. »Kann ja sein, daß er noch vorbeikommt.«
    »Das glaube ich kaum«, sagte Tina mit einem versteckten Blick auf Susanne. Aber sie nahm die Rose und ging damit in die Kaffeeküche.
    Susanne kam ihr nach. »Ich hoffe, du nimmst meine Entschuldigung an«, sagte sie leise, während sie so tat, als wollte sie sich nur einen Kaffee holen.
    »Ich trage dir nichts nach«, erwiderte Tina. »Es ist alles in Ordnung. Das war mein Ernst.« Sie schnitt die Rose an und stellte sie in eine leere Flasche, die sie mit
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