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In der Hitze der Stadt

In der Hitze der Stadt

Titel: In der Hitze der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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erzählen von einer schlimmen Sache in der Nachbarschaft, oder von Freunden, die zusammengeschlagen worden waren, von Frauen, die sexuell belästigt wurden. Manch einer war selbst bedroht oder beraubt worden. Aber das kümmert reiche Leute auf dem Bruderholz kaum. Ihnen gelten liberale Werte noch etwas – und hohe Zäune um ihre videoüberwachten Villen mit Top-Alarmanlagen. Die einfachen Basler in ihren immer enger werdenden Lebenskreisen waren gewissen hohen Herren sowieso seit Jahrhunderten ziemlich egal. Da machte sich Baumer keine Illusionen. Mit dem Plebs wollten die nichts zu tun haben. Hauptsache sie konnten in Basel ihren Geschäften nachgehen, die Grenzen blieben offen und Basel liberal, auch wenn Heinzmann und Baumer so mit einer Augenbinde vor den Augen nach immer brutaler vorgehenden Verbrechern suchen mussten. Verdammi noch mal, hatte Baumer geflucht. Das musste einfach einmal gesagt werden.
    Schneider hatte außergewöhnlich schnell begriffen, dass er mit seinen Einwänden nicht übertreiben durfte, sonst würden seine beiden besten Pferde im Stall komplett durchgehen. »Ich kann Sie verstehen«, versuchte er die Wogen zu glätten. »Ich bin Jurist«, erklärte er seinen Polizisten. »Ich will nicht, dass das Recht gebeugt wird.«
    »Das will keiner«, knurrte Stefan Heinzmann verärgert.
    »Da sind wir uns wenigstens einig«, nickte Schneider. Sogleich fügte er an: »Ich will auch nicht, dass einer, der ein Kind umbringt, davonkommt.« Mit diesem Satz hob er die Mütze von Heinzmann auf, wischte den Staub von ihr und reichte sie dem Wachtmeister. »Machen Sie, was notwendig ist. Ich will diesen Mörder.«
    Jeder normale Mensch wäre ob dieser Unterstützung durch den Vorgesetzten in helle Freude ausgebrochen. Nicht so Baumer und Heinzmann. Einen Mörder fangen, das war doch das Allermindeste, was man von der Polizei erwarten durfte. Support durch den Vorgesetzten sowieso. Dass ihnen das Schneider angeboten hatte, machte sie nicht dankbar. Sie wussten genau, wie das Spiel lief. Würden sie den Mörder fangen, würde der Kommandant den Kredit einstreichen. Würden die juristischen Strickfallen, in denen sie sich schon jetzt verheddert hatten, publik werden, ließe Daniel Schneider sie aber wie glühende Kohlen fallen. Die Kastanien aus dem brodelnden Feuer sollen andere holen. Selbst lässt sich ein Chef die Maronen als feines Vermicelles zum Dessert servieren.
    Baumer und Heinzmann schenkten ihrem Boss kein Lächeln, als der sich verabschiedete und zügig den Raum verließ.
    Die beiden Freunde schauten sich an. Keiner war verbittert oder zynisch. Keiner machte eine Bemerkung über den jungen Schneider, der in Kategorien der Machtvermehrung und des Machterhalts dachte. Wahrscheinlich musste der sogar so denken. Aber sie waren keine Politiker. Basel war ihnen echte Heimat – noch. Die beiden Polizisten hatten daher ganz einfach keine Zeit, sich noch länger mit Daniel Schneiders hohlen Ermahnungen zu beschäftigen. Es gab Wichtiges zu tun. Sie mussten sofort mit Rolf Danner Kontakt aufnehmen, mussten erfahren, was der herausgefunden hatte.

5
    Rolf Danner saß im ilcaffè an der Falknerstraße. Er hatte zuvor ziemlich rüde zwei junge Frauen weggedrängt, die sich an das letzte freie Bistrotischchen in dieser schmucken italienischen Kaffeebar hatten setzen wollen. Sie waren perplex zur Seite getreten. »Heh«, hatte eine noch gerufen, als Danner sie am Arm kurzerhand zurückgezogen und ihr den Stuhl weggeschnappt hatte. Die Frau war vom unhöflichen Benehmen des Journalisten ebenso erschreckt wie von seiner Sonnenbrille. Danner trug wie immer seine grauenhafte Zuhälterbrille – Modell frühe 80er-Jahre. Der Journalist sah damit aus, als würde er die Welt mit zwei schwarzen Insektenaugen betrachten.
    Der Reporter vom Blick beeilte sich, eine Entschuldigung zu formulieren, aber er sei zuerst da gewesen. Da er jedoch Zürcher war, sagte er in seinem knackigen Züridütsch »da« anstatt »doo«. Das verschreckte die Frauen vollends und sie zogen eingeschüchtert ab. Danner war es recht. Er musste arbeiten und brauchte das Tischchen dringend als stabile Unterlage für sein Notebook. Kaum hatte er seinen Kaffee bekommen, legte er los und tippte seine Rechercheergebnisse, die er an diesem Morgen gesammelt hatte, in seinen Computer.
    Danner schrieb:
    Alarm über Polizeifunk 07:30. Mädchen verletzt, Hochstraße-Zwingerstraße. 8 Uhr Meldung Mädchen tot. Telefon mit üblichem Informant bei KP Basel.

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