In der Hitze der Stadt
Zuerst arbeitet ein Chef mit Hochdruck und Herzblut. Dann hat er Erfolg und steigt den ersten Tritt der Karriereleiter hoch. Mit jeder weiteren erklommenen Stufe schnüffelt er ein wenig mehr an der Macht. Dann wird er süchtig und kann nicht mehr genug kriegen von diesem süßen Gift. Die einzige Sorge für den Boss bleibt dann, nicht mehr von der hohen Leiter hinunterzufallen. Also verschieben sich die Interessen. Ziel ist nun, diese Machtstellung zu erhalten. Man wird Politiker. Da kann das Herzblut, das zuvor rot und kräftig floss, sich schon mal kräftig verdicken und schwarz werden.
Baumer drehte sich der Magen um. Er hatte genug vom Wesen dieses kleinen Mannes gesehen. Er brauste auf. »Wollen Sie den Fall lösen, oder nicht?«
Schneider spürte instinktiv, dass sein direkter Untergebener ihm misstraute und verhärtete den Blick.
Der Kommissar wurde dadurch nur noch mehr angestachelt. Er hatte genug von diesen Spielchen. Trotzdem versuchte er, seine Argumente ohne allzu viel Wut anzubringen. »Hören Sie, Schneider. Wenn der Täter nur ein Spinner war, dann ist die Auflösung in der Tat ein Kinderspiel. So einer hat Fingerabdrücke an der Mordwaffe gelassen, beichtet seine Tat früher oder später oder erzählt sie im Delirium herum. Wir nehmen ihn fest und überführen ihn mit Hilfe seiner Abdrücke. Bei so einem Täter brauchen wir keine externe Hilfe.« Er machte eine Faust. »Aber das hier war kein Spinner.«
»Wie wollen Sie das wissen?«, versuchte Schneider die Kontrolle des Gespräches wieder an sich zu reißen.
Baumer ruckte auf und schob die Stühle vor sich auf die Seite. »Wie ich das weiß?«, rief er laut. »Ich sage es Ihnen, wenn Sie es wirklich wissen wollen.«
»Gerne! Aber nicht in diesem Ton.«
Baumer kochte bereits, wollte losdonnern, aber er spürte Heinzmanns Hand an seinem Arm. Es war, als würde Long John Silver einen aufmüpfigen Matrosen zur Besonnenheit mahnen. »Warte, Israel Hands, warte! Noch schlagen wir nicht los.«
Andi Baumer beruhigte sich sogleich, drehte sich weg, schluckte schwer. Dann sprach er zur Wand hin. Ruhig sagte er: »Es waren sofort Streifenwagen unterwegs. Ein Spinner wäre denen aufgefallen. Rötheli hat aber nur einen kleinen Knacki aufgegabelt. Wollen Sie mit dem vor die Presse treten?«
»Nein, will ich nicht.« Schneider schnaufte.
Baumer schluckte schwer, sein Mund war trocken. Dennoch fuhr er ungerührt fort. »Wenn es nun aber kein trivialer Fall ist, wird die Aufklärung ein Glücksfall. Die ersten 24 Stunden sind absolut entscheidend. Jeder noch so kleine Hinweis, den wir jetzt sammeln, kann entscheidend sein, um den Mörder festzunageln.« Er drehte sich um, schaute seinen kleinen Chef mit dem runden Kindergesicht an. Der hatte seine Hände immer noch in die Seiten gestemmt. Baumer war es egal. Ohne Majorshut auf dem Kopf war auch er nur ein kleiner Wicht. Mit Majorshut wahrscheinlich noch viel mehr.
Egal.
Baumer hatte sich durch das Reden beruhigt und fuhr in sachlichem Ton fort: »Wir können jede Hilfe gebrauchen. Es ist völlig unwichtig, wer sie bringt.«
»Es ist nicht richtig«, insistierte Schneider.
»Doch!«, sprang jetzt Heinzmann vor und knallte seine Mütze auf den leeren Stuhl von Baumer. Sie schlug an der Sonnenblende aus Plastik hart auf, fiel hinunter und rollte davon. »Ein Kind ist tot. Das stresst jeden von uns. Wir sind alle nur Menschen, keine Roboter. Wir machen Fehler in solchen Extremsituationen. Jede Hilfe, die wir jetzt kriegen können, macht Sinn.« Er blickte Schneider durchdringend an.
Baumer murrte ebenfalls wieder auf, machte eine Faust. »Heinzmann hat Recht. Rolf Danner ist ein exzellenter Spürhund. Bei ihm reden die Leute viel lockerer als mit einem uniformierten Polizisten oder einem Kommissar. Danner kommt an Informationen, an die wir nicht kommen, oder die wir nicht einmal sammeln dürften. Und wenn wir sie doch haben, dürfen wir sie nicht verwenden.« Dann platzte das klemmende Überdruckventil. »Verdammi noch mal!«
Einen solchen Fluch stieß Baumer selten aus, aber ein Kind war getötet worden. Und sie mussten die Arbeit tun, obwohl sie an allen Ecken und Enden behindert wurden. Nicht vom Volk. Das wünschte seit Langem mehr Polizeipräsenz vor Ort – und Videokameras. Es musste in der Innenstadt und den minderen Quartieren ja auch einiges ertragen in letzter Zeit. Diese »einfachen« Leute hatten längst genug von immer mehr Gewalt und Bedrohungen in ihrem Leben. Fast jeder konnte
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