Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In der Hitze der Stadt

In der Hitze der Stadt

Titel: In der Hitze der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
Vom Netzwerk:
Tiere?«
    Gianni begann tatsächlich, leise zu weinen. Auch er war mit einer solchen Tat überfordert. Wer wäre das nicht? Baumers Freund schüttelte nur den Kopf und schürzte die Lippen. Was konnte er sagen?

    Nichts konnte er sagen.

    Der Barbesitzer machte einen schweren Atemzug, dann fuhren seine sanften Hände ein paar Mal die Oberarme von seinem Freund Baumer hinauf und hinunter.
    »Ich weiß nicht, wo beginnen«, meinte Baumer plötzlich. »Welcher Spinner kann so ein Verbrechen begehen?«
    Gianni meinte: »Ich glaube nicht, dass es ein Spinner war, also so ein Psychoheini. Die entführen die Kinder doch, um dann …« Er stockte. Ein Schauder durchfuhr ihn. Er hielt einen Moment inne. »Also, was ich sagen will …« Er zog sein Gesicht zu einer bitteren Grimasse. »Es geschah auf der Straße, das sind doch eher sogenannte Ehrenmorde.« Er nickte energisch, wie um sich selbst in seinen Gedanken zu bestätigen. »Ja, Ehrenmorde. Also, ich sage dir, das war jemand von der Familie, ganz klar!«
    Baumer stand immer noch ein wenig betreten da. Keine Entführung, kein Psychopath, jemand von der Familie, notierte er in seinem Kopf. Dann dachte er sofort, es bringt doch keine Mutter, kein liebender Vater seine Tochter um. Vielleicht ein entfernter Onkel?

    Vielleicht.

    Das müsste man überprüfen.
    Also weitermachen. Einfach weitermachen. Dann fiel ihm ein, dass er noch gar nicht gezahlt hatte. Er holte ein paar Münzen aus dem Portemonnaie und übernahm die Getränke für alle drei.
    Gianni war ebenfalls froh um diesen rationalen Akt des Bezahlens. Er beendete den ersten und einzigen Zwist, den die beiden je gehabt hatten. Außerdem konnte er sich wieder in dem Gebiet betätigen, in dem er heimisch war und sich sicher fühlte. Gianni hätte nie im Leben Polizeibeamter werden wollen und er war froh, nicht weiter Mutmaßungen zum schrecklichen Mord an diesem unglücklichen Mädchen von sich geben zu müssen. Die Suche nach dem Täter war Arbeit für einen Profi – auch wenn der Profi, der gerade vor ihm stand, einen ziemlich aufgeschmissenen Eindruck machte.
    Als Baumer dem Barista das Wechselgeld mit einer kleinen Geste zusprach, bedankte der sich höflich und verabschiedete ihn wie immer nett und ein wenig übersprudelnd.
    Der Kommissar trat aus dem ilcaffè und hin zu seinen beiden Freunden, die vor der kleinen Bar warteten.
    Stefan Heinzmann blickte sogleich auf, als Baumer kam. Eindringlich zeigte er mit dem Zeigefinger auf das Zifferblatt seiner Uhr, um zur Eile zu mahnen.
    Es drängte tatsächlich. Die Sitzung mit Schneider war schon außergewöhnlich gewesen. Okay, jemand musste die Arbeit der Leute koordinieren. Aber das war getan. Jetzt mussten sie dringend eine Spur suchen und sie aufnehmen
    Also besprach sich Baumer rasch mit seinen Freunden, entschied mit ihnen gemeinsam, welche Aufgaben die zwei übernehmen sollten. Sie einigten sich darauf, dass die Mutter intensiv befragt werden müsste. Heinzmann würde das übernehmen. Die Uniform signalisiert den meisten Ordnung und Sicherheit, und viele Zeugen antworten einem uniformierten Beamten eher, als einem wildfremden Menschen in Zivil. Danner wiederum würde im Umfeld von Azoglu ermitteln. Das hätte er sowieso getan, denn der Blick wollte das ganze Drama, weil seine Leser das ganze Drama wollten. Der Journalist sollte einen Überblick über die Familie des Türken gewinnen. Wer gehörte alles dazu? Gab es Brüder, Onkel, Großväter?
    Kaum waren diese Rollen verteilt, stieg Heinzmann in seinen Streifenwagen, einen frisierten Mercedes. Auf dem Beifahrersitz schnallte sich bereits Rolf Danner an. Ohne sich vom Kommissar zu verabschieden, war er zum Auto hingesprungen und eingestiegen.
    Baumer sah, dass der Journalist wie ein Wasserfall auf Heinzmann einredete, denn Danners Hände flogen im Auto hin und her. Heinzmann startete den Motor, fuhr rasant los.
    Und nun?
    Was sollte er selbst tun?
    Andi Baumer überlegte. Es gab verschiedene Sachen abzuklären. Er könnte Hans Steiner genauer unter die Lupe nehmen. Vielleicht war er ja doch schuldig. Da er das aber für wenig wahrscheinlich hielt, sollte der Alte warten, der lief nicht davon. Und die Gefahr, dass er sich aufhängte in seiner Zelle, war gering. Viel wichtiger war, dass Baumer zuallererst einen Mann treffen musste, der entscheidend für das Lösen des Falles sein könnte. Ein Mann, den er schon lange kannte, mit dem er schon ein paar Mal gut zusammengearbeitet hatte. Dieser Mann war Akademiker,

Weitere Kostenlose Bücher