In der Hitze jener Nacht
noch einmal umzusehen.
5. KAPITEL
„Treibt die Kälber mit den Müttern auf die Weiden beim Meer.“
Drei Tage waren vergangen. Justice saß in seinem Büro und sprach mit Phil, dem Manager der Ranch. „Die Jungbullen können fürs Erste im Canyon bleiben. Aber sie dürfen nicht in die Nähe der Kälber kommen.“
„Ich weiß, Boss.“ Phil stand vor Justices massiven Schreibtisch und drehte seinen Hut an der Krempe.
Phil war Anfang fünfzig, groß und drahtig. Er war ein erfahrener Arbeiter und teilte Justices Liebe zur Ranch. Seine gebräunte Haut sah durch die jahrelange Arbeit im Freien wettergegerbt aus. Nur seine Stirn, wo sonst der Hut saß, war etwas heller. Ungeduldig trat Phil von einem Fuß auf den anderen, es zog ihn zweifellos wieder hinaus zu seinem Pferd. „Den größten Teil der Herde haben wir bereits auf die Weiden getrieben“, berichtete er. „Auf der Koppel weiter nördlich war ein Loch im Zaun. Einer der Jungs ist aber schon draußen, um es zu reparieren.“
„Okay.“ Justice klopfte mit einem Stift auf den Schreibtisch und versuchte, seine innere Unruhe zu zügeln. Es machte ihn nervös, hinterm Schreibtisch sitzen zu müssen und nichts tun zu können. Eigentlich sollte er jetzt ausreiten und dafür sorgen, dass alles nach seinen Vorstellungen verlief. Justice war nicht der Typ, der selbst nichts unternahm und ausschließlich anderen sagte, was sie zu tun hatten. Er gab die Verantwortung für die King Ranch nur ungern ab.
Phil Hawkings war zwar ein guter Manager, aber er war eben nicht der Boss.
Justice wusste allerdings, dass er nicht nervös war, weil er seinen Männer zu wenig vertraute. Nein, er konnte sich nur nicht damit abfinden, im Haus bleiben zu müssen.
In den letzten Tagen hatte er ständig das Gefühl gehabt, verfolgt zu werden. Maggie folgte ihm aber auch auf Schritt und Tritt und bestand darauf, dass er sich behandeln ließ und den verhassten Gehstock benutzte. Wie ein Verbrecher hatte Justice sich davonschleichen müssen, um im Büro wenigstens ein paar Minuten lang ungestört mit Phil reden zu können.
Überall, wo er war, war Maggie auch. Früher wären wir uns dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit in die Arme gefallen, dachte Justice seufzend. Doch seit sie hier war, behandelte Maggie ihn wie einen ihrer Patienten. Wie jemanden, der bemitleidenswert war.
Verdammt noch mal, er brauchte das nicht! Und selbst wenn, dann hätte er es ganz bestimmt nicht zugegeben. Er wollte nicht, dass sie dafür bezahlt wurde, hier zu sein und ihn zu therapieren!
Genau in dem Moment, in dem ihm dieser Gedanke kam, schoss der Schmerz durch sein Bein. Das verfluchte Ding ist zu absolut nichts zu gebrauchen, ging es Justice durch den Sinn. Und die drei Tage Folter durch Maggie schienen an seinem Zustand bisher nichts verändert zu haben.
Offenbar nutzt sie die Gelegenheit nur, um sich hier wieder einzunisten.
Sie passte sich dem Leben auf der Ranch an, als wäre sie nie weg gewesen. Jeden Morgen stand sie bei Sonnenaufgang auf. Und natürlich hielt sie sich bewusst in seiner Nähe auf, damit er es hörte, wenn sie mit ihrem Sohn sprach. Und das Babybrabbeln lenkte seine Aufmerksamkeit immer wieder auf einen Menschen, zu dem Justice nicht gehörte.
Sie war überall. Sie oder der Kleine. Oder beide. Er hörte, wie sie mit Mrs. Carey lachte, nahm ihr Parfum in jedem Zimmer wahr und sah sie bei jeder erdenklichen Gelegenheit mit ihrem Sohn spielen. Sie und ihr Baby hatten offenbar das gesamte Haus eingenommen.
Überall lag Spielzeug herum, ein Lauflerner, der blinkte und verschiedene Geräusche machte, ein kreischendes Huhn, ein bellendes Hündchen. Und ein Teddybär, der mit einer Angst einflößenden hohen Stimme ein Kinderlied zu plärren schien, sobald man das Ohr drückte. Als Justice am Morgen die Treppe hinuntergegangen war, hätte er sich fast den Hals gebrochen, da er über einen Ball mit Clownsgesicht gestolpert war. In jeder Ecke lagen stapelweise Bilderbücher und Windeln – für den Fall, dass sie schnell mal gewechselt werden mussten. Dieser Junge brauchte offenbar Hunderte davon. Und was sollen die ganzen Bücher überhaupt, fragte Justice sich. Babys können schließlich nicht lesen.
„Hm, Boss?“
„Was ist?“ Justice schüttelte den Kopf, rieb sich das schmerzende Bein und sah Phil an. Diese Frau hat sich schon so weit in seine Gedanken geschlichen, dass ich nicht einmal mehr über die Angelegenheit der Ranch reden kann! „Entschuldigung. Ich war
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