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In der Kälte der Nacht

In der Kälte der Nacht

Titel: In der Kälte der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Rauschen des Flusses. Nach zehn Minuten hatten sie das Ufer erreicht. Sie erklommen den Felsen. Unten schössen die dunklen Fluten dahin wie quirlendes Öl. Die Ufer stiegen beiderseits auf eine Höhe von drei Metern an. Findlinge waren zu sehen, die über die Böschung hinausragten, die Stümpfe von Weidenbäumen, die Silhouetten von Eichen und Ahornbäumen. Sie hatten keine Taschenlampe mitgebracht, und es wäre auch zu gefährlich gewesen, mit Licht zu gehen. Sie gingen in westlicher Richtung, auf die Berge zu. Sam ging voran, unermüdlich, geduldig und stark. Ein Krieger mit schneeweißem Haar. Ich werde einen Menschen töten, dachte Paul. Vielleicht mehrere Menschen. Gegner, Opfer... Der Geruch verwesender Pflanzen stieg zu ihm hoch. Der Fluß hatte die Böschung unterspült. Schlamm, Moder. Der Pfad, der am Ufer entlangführte, endete an einem Felsvorsprung. Sam deutete nach links. Sie durchquerten ein Feld mit Apfelbäumen. In den Bergen zuckten Blitze. Der Donner kam erst, als Paul den Blitz schon vergessen hatte. Er schrak zusammen. Die Vögel, die in den Bäumen nisteten, flogen auf. Sie gingen in nördlicher Richtung. Sie schlugen einen großen Bogen um den dunklen Bereich, wo sie das Rathaus vermuteten. Dann erkannte Paul die Umrisse des Gebäudes. Sie standen vor der Rückseite. Sam deutete auf den Zaun. Er hielt Ausschau nach den Wachposten, die Salsbury aufgestellt hatte. Niemand war zu sehen. Sie überwanden den Zaun. Sam war flink wie ein junger Mann. Er duckte sich hinter die Büsche, verschwand in der Deckung der Pinien. Buschwerk, Ginster, hüfthohe Stauden. Paul schob den Revolver in den Gürtel. Er wollte die Wiese überqueren, als er zu zittern begann.
    Das Fieber, dachte er. Die Droge. Nein, das war nicht möglich. Er hatte nicht von dem vergifteten Wasser getrunken. Seine Hand wanderte zur Magengrube. Er spürte, wie seine Eingeweide zu rumoren begannen. Er dachte nach. Ich habe Angst. Ich habe Angst, ein Mörder zu werden. Ich habe Angst, getötet zu werden. Die Zukunft hatte sechs Seiten, wie ein Würfel. Die Übelkeit überkam ihn und die Ahnung, daß dieser Würfel keine Augen hatte. Sechsmal Tod. Man würfelte, aber man hatte keine Wahl. Paul biß die Zähne zusammen. Er folgte Sam.

    22 Uhr 30
    Lolah Tayback hatte sich entkleidet. Salsbury betrachtete ihre Blöße. »Ich bin der absolute Boß«, sagte er. »Jawohl, Sir.«
    »Sieh mich an, Lolah.« Sie hielt den Blick gesenkt. »Lolah?«
    »Bitte nicht.« Sie hatte zu weinen begonnen. »Was ist los mit dir, Lolah?«
    »Ich habe Angst.«
    »Magst du mich nicht?« Sie schwieg. »Magst du mich, Lolah?«
    »Ja, Sir.«
    »Sag die Wahrheit, Lolah.«
    »Ich mag Sie nicht.« Er schlug sie ins Gesicht. ,
    Sie taumelte zurück. »Kleine Hure!«
    »Bitte tun Sie mir nicht weh.«
    »Hure, hab' ich gesagt.«
    »Tun Sie mir nichts, bitte.«
    »Ich werde dich...«
    »Bitte nicht!« Er schlug zu. Es gab eine doppelarmige Peitschenleuchte, die den Parkplatz hinter dem Rathaus in blauweißes Licht tauchte. Der Schein war so hell, daß die Tannenzweige wie das Gefieder eines Schwans schimmerten. Das Pflaster sah aus wie geschmolzener Asphalt, und die Pfützen glitzerten wie zerbrochene Spiegel. Eine Reihe von Personenwagen waren auf dem Platz geparkt, unter anderem der städtische Krankenwagen und der Streifenwagen der Polizei. Sie waren an der rückwärtigen Eingangstür des Rathauses angekommen. Paul lehnte sich gegen die Füllung. Die Tür schwang auf. Ein Flur. Zwielicht. Zwei Männer. Bob Thorp und einer seiner Leute. Thorp hatte den Revolver aus dem Halfter gezogen. Der Mann neben ihm hielt seine Schrotflinte auf Paul gerichtet. »Ich bin der Schlüssel«, sagte Paul. »Ich bin das Schloß«, sagten die beiden im Chor. »Sprecht leise«, befahl Paul. Die beiden nickten. »Stecken Sie Ihren Revolver wieder in den Halfter, Mr. Thorp.«
    »Wie Sie wünschen.«
    »Und Sie, nehmen Sie Ihre Flinte runter.« Der Mann gehorchte. Paul empfand keinen Triumph, daß es ihm gelungen war, die beiden Männer zu öffnen, sie zu manipulieren, auf die Knöpfe ihres Unterbewußtseins zu drücken. Ihm war klar, daß ihr Leben in seiner Hand lag, ihr Leben und ihre Würde. Das Gefühl war wie der Gang
    durch einen alten Dom. Paul erschauerte. Sam ging den Flur entlang und öffnete die erste Tür zur Rechten. Ein neonerleuchteter Raum tat sich auf.

    22 Uhr 36
    Tat-tat-tat-tat-tat-tat-tat... Salsbury s Knöchel bluteten. Er öffnete den Waffenschrank im Büro des

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