In der Kälte der Nacht
»Vielleicht sind wir das auch. Aber wir müssen noch etwas abwarten. Bisher haben wir nur Angenehmes miteinander erlebt. Die Schokoladenseite, verstehst du. In einer Ehe muß man zusammenhalten, auch wenn's schwierig wird. Weißt du, in der ersten Zeit ist mit meinem Mann auch alles gut gelaufen. Erst zum Schluß sind wir uns dann in die Haare geraten.« Sie streichelte seine Stirn. »Wie könnte ich meine Zukunft auf einem Fundament aufbauen, das überhaupt noch nicht belastet worden ist?«
»Wie stellst du dir das vor? Soll ich Gott bitten, daß er uns eine Krankheit schickt oder den finanziellen Ruin?« Sie schmiegte sich an ihn. »Du läßt mich ganz schön spüren, wie dumm ich bin.«
»Du bist nicht dumm, und es ist nicht meine Absicht, dich etwas in der Art spüren zu lassen.«
»Ich weiß.« Er bog in den Parkplatz am General Store ein. Sie gab ihm einen Gutenachtkuß. Jeder ging auf sein Zimmer. Sie lagen lange wach in jener Nacht. Allein.
4. Kapitel
28 Monate vorher- Samstag, der 12. April 1975
Der Hubschrauber, ein luxuriös ausgestatteter Bell Jet-Ranger II, hat eine große Schleife über dem Strip von Las Vegas beschrieben. Sekundenlang schwebte er über dem roten Landekreuz auf dem Dach des Fortunata Hotel, dann setzten die Kufen auf. Als das Surren der Rotoren verklungen war, öffnete Ogden Salsbury die Tür und trat auf das Dach des Hotels. Es war alles ein wenig verwirrend. Die Kabine des Jet-Ranger war angenehm kühl gewesen, jetzt umgab Ogden der Gluthauch Nevadas. Aus Lautsprechern, die auf mannshohe Masten aufgeschraubt waren, tönte eine LP von Frank Sinatra. Das Sonnenlicht brach sich im Wasser des Dachgartenp00ls, und Salsbury mußte die Augen zusammenkneifen, obwohl er eine Sonnenbrille trug. Mit tapsigen Schritten ging er auf den P00l zu. Aus irgendeinem Grund hatte er erwartet, den Böden des Dachgartens würde ebenso vibrieren wie der Fußboden im Hubschrauber. Er geriet ins Schwanken, und dann wurde ihm auf einmal klar, daß er sich wieder auf festem Boden befand. Der Swimmingp00l und das mit Glaswänden verblendete Sportgelände auf dem Dachgarten waren Teil der Präsidentensuite des Fortunata Hotel. Nur zwei Gäste benutzten den übergroßen P00l, zwei junge, hübsche Frauen von üppigsinnlicher Ausstrahlung. Sie trugen die gleichen knappen Bikinis, saßen am Rand des Beckens und ließen die Beine baumeln. Hinter ihnen, am Beckenrand, kniete ein stämmiger Mann. Weißes Hemd, graue Hosen. Die drei unterhielten sich. Hätte Ogden die Szene mit einem einzigen Wort beschreiben müssen, ihm wäre nur die Bezeichnung >lässig< eingefallen. Die drei dort hatten jene Lässigkeit, die dem Menschen durch die ungehinderte Verfügung über Geld zu eigen wird. Die Ankunft des Hubschraubers schienen sie nicht bemerkt zu haben. Salsbury überquerte den Dachgarten und blieb vor der Gruppe stehen. »Sind Sie General Klinger?« Der Mann maß ihn mit einem prüfenden Blick. Er sagte nichts. Die blonde Frau hatte begonnen, die Dunkelhaarige mit einer Lotion einzuschmieren. Die Hände glitten über die Schultern, den Rücken, über die Hüften und dann über die Schenkel. Die beiden waren mehr als nur Freundinnen. »Ich bin Salsbury.« Klinger stand auf, aber er gab ihm nicht die Hand. »Ich hole den Koffer.« Salsbury sah ihm nach, wie er auf das verglaste Geviert zuging. Er starrte die Frauen an. Die beiden hatten die längsten, die schönsten Beine, die er je gesehen hatte. Er räusperte sich. »Sie... kommen vermutlich aus dem Showbusineß.« Die Frauen würdigten ihn keines Blickes. Die Blonde hatte ihre linke Hand mit Lotion gefüllt, sie begann die Brüste der Dunkelhaarigen einzureihen. Salsbury sah, wie sich ihre langen Finger unter das Oberteil des weißen Bikinis schoben, die Knöchel begannen unter dem dünnen Stoff zu kreisen. Salsbury kam sich wie der Hofnarr vor, der bei der Toilette der feinen Damen zusehen durfte. Immer wenn er sich in Gesellschaft schöner Frauen befand, kam er sich wie ein Narr vor. Er war sicher, die beiden machten sich über ihn lustig. Diese verkommenen Flittchen! Eines Tages werdet ihr tun, was ich sage. Ihr werdet es genießen, meine Befehle auszuführen, ganz einfach, weil ich es bin, der euch diese Befehle gibt. Klinger war wieder da. Er hatte sich umgezogen. Er hielt einen Koffer in der Hand. Er sah aus wie ein Gorilla, der für den Zirkus einen Anzug verpaßt bekommen hatte. Sie kletterten in den Hubschrauber. Als die Maschine vom Dach abhob, drückte der
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