In der Nacht (German Edition)
der, wie gemunkelt wurde, Kelvin Beauregard als Kopf der lokalen Klan-Sektion nachgefolgt war. Dr. Toll wurde auf die Motorhaube seines Wagens gefesselt; dort lag er in seinem eigenen Blut und musste mitansehen, wie sein Haus bis auf die Grundmauern niederbrannte.
Damit war die Macht des Klans für die nächsten drei Jahre gebrochen – wovon das Pescatore-Syndikat und die Coughlin-Suarez-Partner zu diesem Zeitpunkt natürlich nichts ahnen konnten, weshalb sie kein weiteres Risiko eingingen und Joe umgehend ins Centro Asturiano Hospital brachten. Dort wurde ihm eine Drainage gelegt, um die inneren Blutungen abzuleiten, deren Ursprung sich der kubanische Chirurg, der die erste Operation durchgeführt hatte, beim besten Willen nicht erklären konnte. Daher zogen sie den zweiten Arzt zu Rate, einen sanftmütigen Spanier mit den schönsten Händen, die Graciela je gesehen hatte.
Mittlerweile bestand nicht mehr die Gefahr eines Kreislaufschocks durch Blutverlust, woran die meisten Patienten mit Messerstichverletzungen im Bauchraum verstarben. Eine weitere gute Nachricht war, dass Joes Leber nichts abbekommen hatte – dank der Taschenuhr seines Vaters, an der die Messerklinge abgerutscht war, wie man deutlich am Deckel der Uhr sehen konnte, den nun ein dicker Kratzer zierte.
Der kubanische Arzt hatte sein Bestes getan, um Verletzungen des Zwölffingerdarms, des Enddarms, des Dickdarms, der Gallenblase und der Milz auszuschließen, doch die Bedingungen waren alles andere als ideal gewesen. Joe war auf dem schmutzigen Boden eines verlassenen Gebäudes erstversorgt worden und dann mit einem Boot quer über die Bucht nach Tampa gebracht worden. Als man ihn in den Operationssaal rollte, war bereits mehr als eine Stunde verstrichen.
Der spanische Arzt vermutete aufgrund des Winkels, in dem das Messer durch Joes Bauchfell gedrungen war, dass wahrscheinlich eine Milzverletzung vorlag, und schnitt Joe ein zweites Mal auf. Und er war sein Geld weiß Gott wert. Er versorgte den Riss in der Milz und spülte die Gallenflüssigkeit aus dem Bauchraum, die bereits Joes Magenwand angegriffen hatte. Dennoch war schon so viel Schaden entstanden, dass noch vor Monatsende zwei weitere Operationen nötig waren.
Als Joe danach erwachte, saß jemand an seinem Bett. Seine Umgebung nahm er nur verschwommen wahr, wie durch einen dichten Gazeschleier. Dennoch erkannte er einen mächtigen Kopf und einen ausgeprägten Kiefer. Und einen langen Schwanz. Der Schwanz schlug gegen seine Bettdecke, und dann sah Joe den Panther ganz deutlich, dessen hungrige gelbe Augen direkt auf ihn gerichtet waren. Urplötzlich zog sich seine Kehle zusammen, und er spürte, wie ihm kalter Schweiß ausbrach.
Der Panther leckte sich über Maul und Nase.
Er gähnte, und Joe gelang es nicht, die Lider zu schließen, starrte wie gelähmt auf die majestätischen Zähne, so weiß wie die Knochen, von denen sie das Fleisch rissen.
Das Maul schloss sich wieder. Erneut richtete der Panther die gelben Augen auf ihn, und dann setzte er die Vorderpfoten auf seinen Bauch.
»Was für eine Raubkatze?«, fragte Graciela.
Der Schweiß lief ihm in die Augen, als er zu ihr aufsah. Es war ein wunderschöner Morgen; eine kühle Brise, die den Duft von Kamelien mit sich trug, wehte durch die Fenster herein.
Geschlechtsverkehr war nach den Operationen erst mal für ein Vierteljahr passé. Alkohol, kubanisches Essen, Schellfisch, Nüsse und Mais waren ebenso ärztlich untersagt. Doch obwohl er fürchtete – so wie Graciela auch –, dass sie sich ohne Sex voneinander entfremden würden, trat genau das Gegenteil ein. Etwa vier Wochen nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus lernte er, es ihr mit dem Mund zu machen; im Lauf der Jahre hatte er das Terrain zwischen ihren Schenkeln durchaus das eine oder andere Mal spontan mit der Zunge erkundet, doch nun blieb es seine einzige Möglichkeit, ihr Befriedigung zu verschaffen. Wenn er vor ihr kniete, seine Hände ihren Hintern hielten und seine Lippen die Pforte zu ihrem Innersten bedeckten, eine Pforte, die er seit jeher als heilig, sündhaft und kostbar schlüpfrig empfand, wurde ihm endlich klar, was wahrlich einen Kniefall wert war. Während er den Kopf zwischen Gracielas Beinen vergrub, wünschte er, er hätte sich schon Jahre zuvor von seinen althergebrachten Vorstellungen vom Geben und Empfangen zwischen Mann und Frau verabschiedet. Erst hatte sie protestiert – nein, lass das; ein Mann macht so was nicht; ich muss erst baden;
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