In der Nacht (German Edition)
herunter, eine Bank nach der anderen macht pleite, die Gemeinden sind bankrott, die Leute finden keine Arbeit mehr.«
»Weil wir jetzt einen Kommunisten als Präsident haben.«
»Mumpitz«, sagte Joe. »Aber ich bin nicht hier, um Stammtischgespräche mit Ihnen zu führen, RD . Tatsache ist, dass die Prohibition über kurz oder lang vorbei sein wird, weil –«
»Niemals! Nicht in einem gottesfürchtigen Land wie diesem!«
»Und ob. Allein deswegen, weil dem Staat in den letzten zehn Jahren Millionen und Abermillionen an Einfuhrzöllen, Mautgebühren und Steuern durch die Lappen gegangen sind – möglich, dass er sogar Milliarden verschenkt hat. Und deshalb wird die Regierung Leute wie mich auf den Plan rufen, damit wir das Land für sie retten – und zwar, indem wir mit legal verkauftem Alkohol Millionen scheffeln. Und aus demselben Grund werden sie auch das Glücksspiel legalisieren. Wir müssen nur die richtigen Stadtverordneten, Landräte und Senatoren schmieren, um den Stein ins Rollen zu bringen. Und Sie könnten mit im Boot sein, RD .«
»Sie glauben, ich würde mit einem wie Ihnen gemeinsame Sache machen? Da haben Sie sich aber verdammt noch mal geschnitten!«
»Warum sind Sie dann hier?«
»Um Ihnen ins Gesicht zu sagen, dass Sie ein Krebsgeschwür sind. Sie sind die Pestilenz, an der dieses Land zu Grunde geht – Sie und Ihre Niggerhure, Ihre dreckigen Latino- und Itaker-Freunde. Ich werde mir das Parisian unter den Nagel reißen. Und zwar nicht sechzig Prozent, sondern den ganzen Laden. Aber das ist erst der Anfang. Ich werde Ihnen alles nehmen – alles, was Sie haben. Vielleicht sehe ich sogar mal bei Ihnen zu Hause vorbei und nehme mir Ihre Hure zur Brust, bevor ich ihr die Kehle durchschneide.« Er sah zu seinen Jungs und lachte, ehe er sich wieder Joe zuwandte. »Du hast es noch nicht geschnallt, Freundchen, aber du wirst aus unserer Stadt verschwinden. Du hast bloß vergessen, deine Koffer zu packen.«
Joe sah in RD s glänzende hasserfüllte Augen, so lange, bis alles Menschliche daraus verschwunden war und nur noch der blanke Hass in ihnen stand. Es war der Blick eines halbverhungerten Hundes, der so oft geprügelt worden war, dass er der Welt nur noch mit gefletschten Zähnen gegenübertrat.
In jenem Moment empfand er nichts als Mitleid für ihn.
Als RD Pruitt erkannte, was sich in Joes Miene spiegelte, trat ein irres Flackern in seine Augen. Und im selben Moment hatte er auch schon ein Messer gezückt. Joe sah das Messer kommen, da es gleichsam in RD s Pupillen aufblitzte, doch eine Sekunde später steckte es bereits bis zum Heft in seinem Bauch.
Joes eigene Klinge fiel klappernd zu Boden, als er RD am Handgelenk packte, so fest, dass er nicht noch weiteren Schaden anrichten konnte. Mit gebleckten Zähnen standen sie sich gegenüber.
»Hab ich dich«, zischte er. »Hab ich dich.«
Joe ließ RD s Handgelenk los und stieß ihn mit aller Macht gegen die Brust. Das blutige Messer in der Hand, taumelte RD zurück, während Joe zu Boden ging. RD lachte, und seine beiden Kumpels stimmten dröhnend mit ein.
»Voll erwischt!«, sagte RD und trat wieder auf Joe zu.
Joe sah sein eigenes Blut von der Klinge tropfen. Er hob die Hand. »Moment noch!«
RD hielt inne. »Das hättest du wohl gern.«
»Ich habe nicht mit dir geredet.« Joe blickte hinauf ins Dunkel, sah die Sterne, die die Kuppel über der Rotunde zierten. »Okay. Jetzt.«
»Mit wem denn sonst?«, fragte RD , wie immer schwer von Begriff – wohl auch der Grund, warum ein so hundsgemeines Schwein aus ihm geworden war.
Im selben Moment knipsten Dion und Sal Urso die Scheinwerfer an, die sie am Nachmittag in die Rotunde hinaufgeschleppt hatten. Es war, als würde urplötzlich der Vollmond hinter dunklen Wolken hervorbrechen. Gleißendes Licht erfüllte den Ballsaal.
Als dann der Kugelhagel auf sie niederging, tanzten RD Pruitt, sein Cousin Carver und Carvers Cousin Harold den Friedhofsfoxtrott; es sah aus, als würden sie sich auf glühenden Kohlen die Seelen aus dem Leib husten. Mittlerweile handhabte Dion seine Thompson wie ein wahrer Künstler, stanzte fein säuberlich ein X in RD Pruitts zuckenden Körper. Als Dion und Sal das Feuer einstellten, war der Saal voller Blut.
Joe hörte ihre Schritte, als sie die Treppe zu ihm heruntereilten.
»Den Doc«, rief Dion Sal zu. »Hol den Doc.«
Sals Schritte entfernten sich in die andere Richtung, während Dion neben Joe niederkniete und sein Hemd aufriss.
»Meine
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