In der Nacht (German Edition)
gab Joe zurück, während er einen Schritt zurücktrat, damit seine Männer die Toten in den Leichenwagen hieven konnten.
»Aber jetzt haben wir die Pflicht, mit den Dreckskerlen abzurechnen, die ihn umgelegt haben«, sagte Dion
An der Rezeption wartete der Doc auf sie, als sie von der Laderampe zurückkamen. Er säuberte Joes Wunde und nähte sie, während Joe mit den einbestellten Polizisten sprach.
»Die Cops, die heute Morgen meine Leute gejagt haben«, sagte Joe zu Sergeant Bick aus dem Third District. »Stehen sie dauerhaft auf Pescatores Gehaltsliste?«
»Nein, Mr. Coughlin.«
»Wussten sie, dass es meine Leute waren?«
Sergeant Bick sah zu Boden. »Ich fürchte ja, Sir.«
»Das fürchte ich auch«, sagte Joe.
»Wir können keine Cops umlegen«, sagte Dion.
Joe sah Bick in die Augen. »Wieso nicht?«
»Kommt nicht so gut an«, sagte Dion.
»Irgendwelche Cops, die Pescatore jetzt noch zur Seite stehen?«, fragte Joe den Sergeant.
»Alle, die an den Schießereien heute Morgen beteiligt waren, werden gerade vernommen«, antwortete Bick. »Der Bürgermeister ist alles andere als erfreut. Und der Vorstand der Handelskammer schäumt vor Wut.«
»Der Bürgermeister?«, brüllte Joe. »Die Arschlöcher von der Handelskammer?« Er schlug Bick die Mütze vom Kopf. » Ich bin alles andere als erfreut! Alle anderen sollen sich ins Knie ficken! Mich kotzt das alles an!«
Beklommenes Schweigen breitete sich im Raum aus, und plötzlich schien niemand mehr zu wissen, wo er hinschauen sollte. Keiner der Anwesenden konnte sich erinnern, dass Joe je die Stimme gehoben hatte, nicht einmal Dion.
Als er das Wort erneut an Bick richtete, klang seine Stimme wieder völlig normal. »Pescatore hat Angst vorm Fliegen. Und Schiffe sind ihm ebenso ein Greuel. Was bedeutet, dass ihm nur zwei Möglichkeiten bleiben, die Stadt zu verlassen. Entweder ist er unterwegs zum Highway 41, oder er nimmt den nächsten Zug. Also heben Sie Ihre verdammte Mütze auf, Sergeant Bick. Oder wie lange wollen Sie hier noch Maulaffen feilhalten?«
Ein paar Minuten später saß er im Büro des Geschäftsführers und telefonierte mit Graciela.
»Alles okay?«
»Dein Kind ist ein echter Rabauke«, sagte sie.
»Hmm. Seit wann ist es nur mein Kind?«
»Er tritt mich dauernd. Die ganze Zeit.«
»Sieh es doch einfach positiv«, sagte Joe. »Du hast schon mehr als die Hälfte hinter dir.«
»Sehr witzig«, erwiderte sie. »Ich hätte gute Lust, dich mal zu schwängern. Damit du weißt, wie das ist, wenn dir ständig die Luft wegbleibt und du öfter aufs Klo musst, als du blinzeln kannst.«
Joe drückte seine Zigarette aus und steckte sich eine neue an. »Wir können’s ja mal versuchen.«
»Ich habe gehört, auf der Eighth Avenue hätte es heute eine Schießerei gegeben«, sagte sie. Sie sprach plötzlich leiser, und er konnte deutlich die Anspannung aus ihrer Stimme heraushören.
»Ja.«
»Ist es vorbei?«
»Nein«, sagte Joe.
»Das heißt also, es herrscht Krieg.«
»Ich fürchte ja.«
»Wie lange?«
»Ich weiß es nicht.«
»Für immer?«
»Ich weiß es nicht.«
Sie schwiegen eine volle Minute lang. Er konnte hören, wie sie eine Zigarette rauchte, ebenso wie sie es hörte, wenn er an seiner Zigarette zog. Er warf einen Blick auf die Uhr seines Vaters und stellte fest, dass sie eine halbe Stunde nachging, und das, obwohl er sie auf dem Boot gestellt hatte.
»Du merkst es gar nicht«, sagte sie schließlich.
»Was?«
»Dass du schon Krieg führst, solange ich dich kenne. Aber wozu?«
»Um leben zu können.«
»Ist das denn ein Leben? Jeden Tag aufs Neue dem Tod ins Auge zu sehen?«
»Ich bin nicht tot«, sagte er.
»Aber du forderst es heraus, Joseph. Selbst wenn du diese Schlacht überlebst, vielleicht auch die nächste und die übernächste, wird sich das Blatt irgendwann wenden. Das ist der Lauf der Dinge. Egal, was du tust, irgendwann holt dich die Gewalt unweigerlich ein.«
Dasselbe hatte ihm sein Vater gesagt.
Joe zog an seiner Zigarette, stieß den Rauch aus und beobachtete, wie sich der blaue Dunst langsam auflöste. Es ließ sich nicht von der Hand weisen, dass in ihren Worten eine gewisse Wahrheit lag, und auch sein Vater hatte sicher nicht ganz falschgelegen. Nur, dass ihm jetzt beim besten Willen keine Zeit blieb, sich mit der Wahrheit auseinanderzusetzen.
»Tja, was soll ich jetzt sagen?«, fragte er.
»Ich weiß auch nicht weiter«, gab sie zurück.
»Hey«, sagte er.
»Was?«
»Woher weißt du, dass
Weitere Kostenlose Bücher