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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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trat ihn über Bord.
    Fasani drehte Gino Valocco auf den Rücken. Gino schlug sich die Hände vors Gesicht; sein Hemd war blutgetränkt. Unwillkürlich musste Joe daran denken, wie sie sich über die Freuden des Vaterdaseins unterhalten hatten.
    Gino sagte, was sie alle sagten. Er sagte: »Warte.« Er sagte: »Nicht.«
    Fasani schoss ihm ins Herz und stieß ihn in den Golf.
    Als Joe den Kopf wandte, sah er, dass Dion ihn aufmerksam musterte. »Sie hätten uns alle umgelegt, ohne Ausnahme. Das ist dir hoffentlich klar?«
    Joe deutete ein Nicken an.
    »Und warum?«
    Joe gab keine Antwort.
    »Nein, Joe. Warum?«
    Joe gab noch immer keine Antwort.
    »Gier«, sagte Dion. »Keine gewöhnliche Gier, keine gesunde Gier. Sondern unersättliche Gier. Sie kriegen den Hals einfach nicht voll.« Mit zornesrotem Gesicht trat er noch näher zu Joe, so dicht, dass sich ihre Nasen berührten. »Nie.«
    Während Joe ihn wortlos ansah, hörte er jemanden sagen, dass die gesamte Besatzung des Schleppers tot sei.
    »Keiner von uns kriegt den Hals voll«, sagte Joe. »Du nicht, ich nicht, Pescatore nicht. Wir sind süchtig danach.«
    »Wonach?«
    »Nach der Nacht«, sagte Joe. »Sie ist unwiderstehlich. Wer sich für den Tag entscheidet, der muss nach ihren Regeln spielen. Darum haben wir uns für die Nacht entschieden und spielen nach unseren eigenen. Das Dumme ist nur, wir haben im Grunde gar keine Regeln.«
    Dion überlegte. »Jedenfalls nicht sehr viele.«
    »Und langsam macht mich das kaputt.«
    »Ich weiß«, sagte Dion. »Ich sehe es dir an.«
    Fasani und Wallace schleiften Albert White quer über das Deck und ließen ihn zu Joes Füßen liegen.
    Von seinem Hinterkopf war nichts mehr übrig, und wo sein Herz gewesen war, klaffte ein blutiges Loch. Joe hockte sich neben die Leiche und fischte die Uhr seines Vaters aus Alberts Westentasche. Er überzeugte sich davon, dass sie noch heil war, steckte sie ein und ließ sich auf dem Deck nieder.
    »Ich hätte es ihm gern ins Gesicht gesagt.«
    »Was?«, fragte Dion.
    »Ich hätte ihn angeschaut und gesagt: ›Du wolltest mich fertigmachen, aber jetzt bist du selbst erledigt.‹«
    »Die Chance hattest du vor vier Jahren.« Dion streckte Joe die Hand hin.
    »Ich wollte eine zweite.« Joe ergriff seine Hand.
    »Von wegen«, sagte Dion, während er ihm auf die Füße half. »So eine Chance gibt’s nur einmal im Leben.«

26
    Dunkle Stunden
    Der Eingang des Tunnels, der zum Romero Hotel führte, befand sich an der Pier 12. Er erstreckte sich auf einer Länge von acht Häuserblocks unter Ybor City; wenn er nicht überflutet oder voller Ratten war, benötigte man etwa eine Viertelstunde, um ihn zu passieren. Glücklicherweise herrschte gerade Ebbe, als Joe und seine Männer, allesamt völlig erschöpft von Hitze und Wassermangel, am frühen Nachmittag an der Pier eintrafen. Joe war obendrein verwundet. Doch auf der Fahrt von Egmont Key hatte er seinen Leuten erklärt, warum er ihnen keine Pause gönnte: Wenn Maso nur halb so clever war, wie Joe glaubte, hatte er mit Albert hundertprozentig ein Zeitlimit vereinbart. Sobald er roch, dass etwas schiefgelaufen war, würde er sich postwendend aus dem Staub machen.
    Der Tunnel endete bei einer Leiter, die zur Tür des Heizungsraums führte. Jenseits davon befand sich die Hotelküche, dahinter das Büro des Geschäftsführers und wiederum dahinter die Rezeption. Hatten sie die erst mal erreicht, konnten sie aufatmen – doch vor der Tür zum Heizungsraum ließ sich nicht feststellen, ob ihnen jemand einen unliebsamen Empfang bereiten wollte. Die Stahltür war stets verschlossen und wurde nur geöffnet, wenn man das richtige Codewort kannte. Das Romero war nie Schauplatz einer Razzia gewesen, da Esteban und Joe die Besitzer dafür bezahlten, dass sie ihrerseits die richtigen Leute schmierten. Außerdem betrieb das Hotel kein Speakeasy; es diente lediglich als Destille und Lager.
    Nachdem sie erschöpfend diskutiert hatten, wie sie durch eine mit drei Riegeln gesicherte Stahltür kommen sollten, entschieden sie, dass der beste Schütze von ihnen – Carmine Parone – oben auf der Leiter Position beziehen und Dion für den Fall der Fälle Deckung geben sollte, während Dion versuchen würde, die Tür mit einer Schrotflinte zu knacken.
    »Wenn sich jemand auf der anderen Seite befindet, sind wir geliefert«, sagte Joe.
    »Ihr nicht«, sagte Dion. »Nur Carmine und ich. Ehrlich gesagt bin ich mir nicht mal sicher, ob wir die Querschläger überleben.

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