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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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es ein Junge ist?«
    »Weil er wie wild um sich tritt«, sagte sie. »Genau wie du.«
    »Ach so.«
    »Joseph?« Er hörte, wie sie erneut an ihrer Zigarette zog. »Lass mich nicht im Stich. Ich will unser Kind nicht allein aufziehen.«
    Laut Fahrplan war der einzige Zug, der Tampa an jenem Nachmittag verließ, der Orange Blossom Special. Die anderen beiden Züge, die jeden Tag Richtung Norden fuhren, waren bereits weg. Der Orange Blossom Special war ein Luxus-Passagierzug, der nur in den Wintermonaten zwischen Tampa und New York verkehrte. Das Problem für Maso, Digger und ihre Leute bestand bloß darin, dass der Zug bis auf den letzten Platz besetzt war.
    Und als sie versucht hatten, den Schaffner zu bestechen, waren obendrein auch noch ein paar Cops aufgetaucht. Leider keiner von denen, die auf ihrer Gehaltsliste standen.
    Nun saßen Maso und Digger auf dem Rücksitz einer Auburn-Limousine. Der Wagen stand auf einem Feld, von dem sie freie Sicht auf das westlich von ihnen gelegene Bahnhofsgebäude mit seinen zuckergussweiß eingerahmten Fenstern und die fünf Schienenstränge hatten, die über das schier endlos flache Land nach Norden, Westen und Osten führten, sich wie blaugraue Adern aus Stahl über das Land erstreckten.
    »Ich hätte ins Eisenbahngeschäft einsteigen sollen«, sagte Maso. »Damals, als es noch richtig lukrativ war.«
    »Wir haben Lastwagen«, sagte Digger. »Das ist viel besser.«
    »Die helfen uns jetzt auch nicht, hier wegzukommen.«
    »Lass uns einfach fahren«, sagte Digger.
    »Ach ja? Und du glaubst nicht, dass es ein bisschen auffällig wäre, wenn ein paar Itaker in protzigen Karren durch die Orangenhaine gondeln?«
    »Dann fahren wir eben nachts.«
    Maso schüttelte den Kopf. »Vergiss es. Inzwischen hat der verdammte irische Schwanzlutscher garantiert überall Straßensperren errichten lassen – von hier bis Jacksonville.«
    »Tja, wer fährt heutzutage auch noch mit dem Zug?«
    »Ich«, erwiderte Maso. »Und jetzt will ich nichts mehr hören.«
    »Wie wär’s, wenn ich uns eine Maschine aus Jacksonville kommen –«
    »Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass ich mich in eine von diesen fliegenden Todesfallen setze.«
    »Flugzeuge sind vollkommen sicher, Pop. Sogar sicherer als… als…«
    »Als Züge?« Maso deutete zum Bahnhof. Im selben Moment hallte dumpfer Donner zu ihnen herüber, und dann stieg Rauch über einem Feld auf, etwa eine Meile von ihnen entfernt.
    »Jagt da jemand Enten?«, fragte Digger.
    Maso musterte seinen Sohn. Es war schlicht unendlich traurig, dass dieser Hornochse auch noch der intelligenteste seiner drei Sprösslinge war.
    »Hast du hier irgendwo Enten gesehen?«
    »Nein, aber was –« Digger runzelte die Stirn.
    »Er hat gerade die Gleise in die Luft gejagt.« Wieder richtete Maso den Blick auf seinen Sohn. »Den Dachschaden hast du übrigens von deiner Mutter. Die hätte beim Schach nicht mal gegen eine Suppenschüssel gewonnen.«
    Maso und seine Leute warteten an einem Münztelefon in der Platt Street, während Anthony Servidone sich mit einem Koffer voller Geld ins Tampa Bay Hotel aufmachte. Eine Stunde später rief er an und berichtete, dass er für alle Zimmer gebucht hatte. Cops waren weit und breit nicht zu sehen, und auch keine unliebsamen Bekannten. Sie sollten die Vorhut losschicken.
    Und genau das taten sie auch. Obwohl nach dem Gemetzel auf dem Schlepper nicht mehr allzu viele von ihnen übrig waren. Sie hatten zwölf Mann verloren, sogar dreizehn, wenn man den aalglatten Schmierlappen namens Albert White mitzählte. Damit blieben sieben und Masos persönlicher Leibwächter, Seppe Carbone. Wie Maso stammte Seppe aus Alcamo an der Nordwestküste Siziliens, wenngleich sie dort zu unterschiedlichen Zeiten aufgewachsen waren. Doch obwohl erheblich jünger, war Seppe ganz Kind seiner Stadt – ein Mann ohne Gnade, furchtlos und loyal bis in den Tod.
    Nachdem Anthony Servidone abermals angerufen und durchgegeben hatte, dass Etage und Foyer gesichert waren, chauffierte Seppe seinen Boss und Digger zum Hintereingang des Tampa Bay Hotels, wo sie den Personalaufzug in den sechsten Stock nahmen.
    »Wie lange bleiben wir hier?«, fragte Digger.
    »Bis übermorgen«, sagte Maso. »Wir gehen erst mal auf Tauchstation. Selbst das verdammte Irenschwein kann seine Straßensperren nicht ewig aufrechterhalten. Anschließend verziehen wir uns nach Miami und nehmen von dort den Zug nach Boston.«
    »Ich will ein Mädchen«, sagte Digger.
    Maso verpasste

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