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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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leider muss ich an dir ein Exempel statuieren«, sagte er.
    Durch einen blutigen Schleier richtete Joe den Blick auf Albert, der einen weißen Smoking trug.
    »Damit alle wissen, was ihnen blüht, wenn sie mich zu linken versuchen.«
    Joe sah sich nach Emma um, doch alles um ihn herum schaukelte so sehr, dass er den Fahrstuhl nirgends ausmachen konnte.
    »Du wirst ihnen ein warnendes Beispiel sein«, sagte Albert White. »Auch wenn es mir in der Seele weh tut.« Er ging in die Hocke und setzte eine bekümmerte Miene auf. »Meine Mutter hat immer gesagt: Nichts geschieht ohne Grund. Ich bin nicht sicher, ob sie recht hatte, aber ich glaube, dass aus Menschen oft das wird, was aus ihnen werden soll. Ich dachte, ich wäre zum Cop geboren, aber dann habe ich meinen Job verloren und wurde zu dem, was ich heute bin. Ganz ehrlich, Joe, die meiste Zeit über bin ich nicht besonders stolz auf mich. Ich würde dir nur allzu gern die Wahrheit ersparen, aber dieses Leben liegt mir im Blut. Und dir liegt es eben im Blut, alles zu vermasseln, sosehr es mir widerstrebt, das zu sagen. Du hättest einfach nur abzuhauen brauchen, aber das hast du nicht getan. Und ich bin sicher… Sieh mich gefälligst an.«
    Joes Kopf war zur Seite gesackt. Er zwang sich, wieder in Alberts freundliche Augen zu sehen.
    »Du wirst dir jetzt bestimmt einreden, du hättest es für die Liebe getan.« Er schenkte Joe ein betrübtes Lächeln. »Aber deshalb hast du’s nicht vermasselt. Du hast es vermasselt, weil es deine Natur ist. Weil du ein schlechtes Gewissen hast wegen dem, was du tust, dich tief in dir drin sogar danach sehnst, geschnappt zu werden. Aber in diesem Geschäft sieht man sich jeden Morgen erneut seinem Gewissen gegenüber. Und dann nimmt man es einmal mehr in die Hand, zerknüllt es und wirft es in den Kamin. Während du dein ganzes kurzes Leben lang insgeheim darauf gehofft hast, irgendwann bestraft zu werden. Und ich bin derjenige, der dir diesen Gefallen tun wird.«
    Albert erhob sich wieder, und einen Moment lang verschwamm Joe alles vor den Augen. Etwas Silbernes blitzte auf, dann noch einmal, und er versuchte seinen Blick wieder einigermaßen scharf zu stellen.
    Er wünschte, er hätte es nicht getan.
    Albert und Brendan schwankten immer noch ein wenig, aber immerhin hatte sich der Pendeleffekt verflüchtigt. Neben Albert stand Emma, die Hand an seinem Arm.
    Einen Moment lang verstand Joe überhaupt nichts mehr. Aber dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
    Er sah zu Emma auf, und mit einem Mal spielte es keine Rolle mehr, was sie mit ihm anstellten. Sterben schien auf einmal eine gute Sache, nachdem das Leben ohnehin nichts als Schmerz für ihn bereithielt.
    »Es tut mir leid«, wisperte sie. »Es tut mir so leid.«
    »Und nicht nur ihr«, sagte Albert White. »Es tut uns allen leid.« Er winkte jemanden heran, den Joe nicht sehen konnte. »Bring sie raus.«
    Ein feister Kerl in grober Wolljacke, eine Strickmütze tief in die Stirn gezogen, rückte in Joes Blickfeld und ergriff Emmas Arm.
    »Du hast gesagt, ihr würdet ihn nicht töten«, sagte Emma zu Albert.
    Albert zuckte mit den Schultern.
    »Albert«, sagte Emma. »Das war meine Bedingung.«
    »Das ehrt dich«, gab er zurück. »Mach dir keine Sorgen.«
    »Albert«, wiederholte sie, doch diesmal drang kaum mehr als ein Krächzen aus ihrer Kehle.
    »Schatz?« Albert klang um einiges zu ruhig.
    »Ich hätte ihn nie hierhergelockt, wenn…«
    Albert verpasste ihr eine Ohrfeige und strich mit der anderen Hand sein Hemd glatt. Der Schlag war so hart, dass ihre Unterlippe aufplatzte.
    Er sah an seinem Hemd hinunter. »Glaubst du, dir könnte nichts passieren? Glaubst du ernstlich, ich würde mich von einer Hure am Nasenring durch die Manege ziehen lassen? Du meinst, ich wäre Wachs in deinen Händen. Und das war ich gestern vielleicht auch, aber inzwischen habe ich nachgedacht. Und du bist weg vom Fenster, ein für alle Mal, kapiert? Glaubst du, du wärst nicht zu ersetzen?«
     »Du hast gesagt…«
    Mit einem Taschentuch wischte sich Albert ihr Blut von den Fingern. »Bring sie zum Wagen, Donnie. Los, mach schon.«
    Der feiste Bursche packte Emma von hinten und schleifte sie rückwärts zum Aufzug. »Hört auf, ihm weh zu tun!«, kreischte sie, während sie um sich trat und mit den Fingernägeln nach Donnies Kopf langte. »Joe, es tut mir leid, es tut mir so leid! Ich liebe dich, Joe! Ich liebe dich!«
    Die Aufzugtür schlug hinter ihnen zu, und der Lift fuhr nach

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