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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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oben.
    Albert hockte sich wieder neben ihn und steckte ihm eine Zigarette zwischen die Lippen. Ein Streichholz flackerte auf, der Tabak knisterte, und Albert sagte: »Zieh mal, dann kommst du schneller wieder zu dir.«
    Joe kam seiner Aufforderung nach. Etwa eine Minute lang saß er auf dem Boden und rauchte, Albert an seiner Seite, der ebenfalls eine Zigarette rauchte, während Brendan Loomis sie dabei beobachtete.
    »Was haben Sie mit ihr vor?«, fragte Joe, als er es endlich wagte, ein paar Worte durch seine geschundene Kehle zu pressen.
    »Mit ihr? Sie hat dich gerade erst nach allen Regeln der Kunst hingehängt.«
    »Dafür gab es doch garantiert einen Grund.« Er sah Albert an. »Einen guten Grund, stimmt’s?«
    Albert lachte leise in sich hinein. »Du hast die Weisheit auch nicht gerade mit Löffeln gefressen, was?«
    Blut lief Joe ins Auge, als er die aufgeplatzte Augenbraue hochzog. Er wischte es fort. »Was haben Sie mit ihr vor?«
    »Du solltest dir lieber Sorgen darüber machen, was ich mit dir vorhabe.«
    »Tue ich«, gab Joe zu. »Trotzdem habe ich gefragt, was Sie mit ihr vorhaben.«
    »Das weiß ich noch nicht.« Albert zuckte mit den Schultern, zupfte sich einen Tabakkrümel von der Zunge und schnippte ihn weg. »Aber du, Joe, wirst ihnen allen als abschreckendes Beispiel dienen.« Er wandte sich an Loomis. »Hoch mit ihm!«
    »Inwiefern?«, sagte Joe, während Brendan Loomis ihm die Arme unter die Achseln schob und ihn auf die Füße zerrte.
    »Wer sich mit Albert White und seinen Leuten anlegt, der wird genauso enden wie Joe Coughlin.«
    Joe schwieg. Ihm fiel beim besten Willen nicht ein, was er darauf sagen sollte. Er war zwanzig Jahre alt. Zwanzig Jahre – mehr war ihm nicht vergönnt auf dieser Welt. Er hatte nicht mehr geweint, seit er vierzehn war, aber nun liefen ihm doch die Tränen über die Wangen – was immer noch besser war, als auf den Knien um sein nacktes Leben zu betteln.
    Alberts Züge wurden milder. »Ich kann dich nicht am Leben lassen, Joe. Glaub mir, sähe ich irgendeine Möglichkeit, würde ich dich verschonen. Und es geht dabei nicht um die Kleine, falls dich das irgendwie trösten sollte. Huren kann ich an jeder Straßenecke kriegen. Ich habe eine Neue, die auf mich wartet, sobald ich mit dir fertig bin.« Einen Moment lang betrachtete er seine Hände, bevor er weitersprach. »Du hast dir ohne meine Genehmigung sechzigtausend Dollar unter den Nagel gerissen und eine halbe Kleinstadt zusammengeballert, inklusive dreier toter Cops. Und damit hast du uns bis zum Hals in die Scheiße geritten. Weil jetzt nämlich jeder einzelne Cop in Neuengland glaubt, dass Bostoner Gangster tollwütige Hunde sind, mit denen man auch genauso umspringen muss. Und ich bin gezwungen, das Ganze zurechtzurücken.« Er sah zu Loomis. »Wo steckt Bones?«
    Er meinte Julian Bones, einen weiteren seiner Gorillas.
    »In der Gasse. Motor läuft schon.«
    »Dann nichts wie los.«
    Albert ging voran zum Fahrstuhl und öffnete das Gitter. Brendan Loomis schleifte Joe in die Kabine.
    »Dreh ihn um.«
    Joe wurde herumgerissen, und die Zigarette fiel ihm aus dem Mund, als Loomis seine Haare packte und sein Gesicht gegen die Wand donnerte. Dann spürte er, wie Loomis ihm die Arme auf den Rücken drehte, ein grobes Seil um seine Handgelenke schlang und mehrmals festzog, ehe er die Enden verknotete. Und Joe, selbst eine Art Experte auf diesem Gebiet, wusste nur allzu genau, wann ein Knoten richtig fest saß. Selbst wenn sie jetzt gingen und ihn bis April allein ließen – er hätte sich ums Verrecken nicht befreien können.
     Loomis riss ihn abermals herum und betätigte den Hebel, während Albert aus seinem Zinnetui eine frische Zigarette kramte, sie zwischen Joes Lippen steckte und anzündete. Als das Streichholz aufflackerte, sah Joe, dass Albert keinerlei Genugtuung empfand. Wenn Joe mit Säcken voller Steine an den Füßen auf den Grund des Mystic River sank, würde Albert reuevoll darüber nachsinnen, welch teuren Preis man zahlen musste, wenn man in diesem schmutzigen Geschäft tätig war.
    Nun ja, wenigstens heute Nacht.
    Sie stiegen im Erdgeschoss aus und gingen einen verlassenen Personalkorridor hinunter. Durch die Wände drangen die Geräusche der Party an ihre Ohren – das Geklimper der sich duellierenden Pianisten, eine Gruppe von Bläsern, die nach allen Regeln der Kunst losfetzte, und jede Menge fröhliches Gelächter.
    Dann hatten sie eine Tür erreicht, auf der in frischen gelben Lettern

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