In der Oase des Scheichs
sich Schuhkartons.
Jetzt kam auch die Erinnerung zurück. Und mit ihr das beklommene Gefühl. Abendkleider. Die Party. Der Fusionsvertrag. Und die Verlobung.
„Fühlen Sie sich ein bisschen frischer?“ Amina lächelte ihr von der Tür her zu. Sie trug ein langes fließendes Gewand – eine Djellaba – und hatte die Haare zusammengebunden. „Sie sehen ausgeruht aus. Sam hat nach Ihnen gefragt. Ich habe ihm gesagt, dass Sie sich ein wenig hingelegt haben.“
Claudia setzte sich auf und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Sam brauchte sie, und sie schlief einfach. „Warum haben Sie mich nicht geweckt? Vielleicht wollte er etwas mit mir besprechen.“
„Das hat Zeit. Sie sehen schon viel besser aus. Fühlen Sie sich ausgeruht genug, um mit Durrah, der Wahrsagerin, zu reden?“
„Ist sie etwa hier?“ Claudia fühlte sich immer noch nicht ganz auf der Höhe. Aber was war schon dabei? Sollte die Wahrsagerin doch einfach ihr Programm abspulen. Sie wusste sowieso, was sie sagen würde. Es war doch immer dasselbe. ‚Sie werden einen großen dunkelhaarigen Fremden kennenlernen und eine weite Reise antreten.‘ Und so weiter.
„Ich sollte zuerst mit Sam sprechen“, meinte sie.
Amina nickte und reichte ihr ein Handy.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Claudia, nachdem Sam sich gemeldet hatte.
„Mehr oder weniger. Ich bin froh, dass Sie sich ein wenig ausruhen konnten. Es wird ein langer Abend.“
„Ja, bestimmt.“
„Haben Sie auch alles, was Sie brauchen? Kümmert sich Amina um Sie?“
„Sie könnte nicht aufmerksamer sein. Sie hat sogar eine Wahrsagerin zu meiner Unterhaltung kommen lassen.“
Amina grinste und nickte zur Tür hin, so als stünde die Frau bereits dort.
„Sie glauben doch nicht etwa an den Unsinn?“, fragte er besorgt.
„Es ist sicher interessant, ihr zuzuhören“, antwortete Claudia taktvoll. Sie wollte nicht über Aminas Wahrsagerin lästern, ohne sie gesehen zu haben.
„Ich kann Ihnen genau sagen, was Sie erwartet“, fuhr Sam fort. „Amina hat diese Prozedur nämlich schon letztes Mal, als ich hier war, abgehalten. Die Frau wird sich Ihre Handfläche ansehen und dann feststellen, dass sich eine lange tiefe Linie quer darüber zieht, was bedeutet, dass Sie klar und logisch denken. Aber das wissen Sie bereits, weil Sie es schon tausendmal von mir gehört haben. Was für eine Zeitverschwendung.“
„Vielen Dank für den Hinweis. Wir sehen uns dann später.“
„Sam hat Ihnen wahrscheinlich gesagt, was er von der Wahrsagerin hält“, meinte Amina, nachdem Claudia aufgelegt hatte. „Mein Bruder ist ein großer Zyniker. Aber wem erzähle ich das. Er glaubt nicht an Seher, Magier oder an etwas nicht Greifbares. Wie die Liebe zum Beispiel. Doch eines Tages wird er eines Besseren belehrt werden.“
Claudia lächelte höflich. Zugegeben, Sam war zynisch, aber wenn er sich bis jetzt nicht verliebt hatte, würde er es wahrscheinlich auch in Zukunft nicht tun.
Die Wahrsagerin war eine kleine dunkelhaarige Frau in einem langen bunten Kleid und mit unzähligen Ringen an den Fingern. Claudia schmunzelte, weil sie tatsächlich wie aus einem Hollywoodfilm wirkte.
Durrah winkte sie zu dem kleinen Tisch, an dem sie bereits Platz genommen hatte. Dann begann sie, Karten auszulegen. Amina lehnte sich an die Frisierkommode und versprach zu dolmetschen.
Als Erstes betrachtete Durrah lange Claudias Handflächen. Und wie vermutet, erkannte sie eine lange Kopflinie. „Das heißt, Sie können klar und logisch denken.“ Doch dann sprach sie über die unterbrochene Herzlinie: „Hier sehe ich Enttäuschung in der Liebe.“
Claudia rutschte ein wenig auf ihrem Stuhl hin und her. Sie hätte andere Worte gewählt, um ihre gescheiterte Ehe zu beschreiben. Aber Durrah konnte nichts von ihrer Scheidung wissen. Und schließlich waren die meisten Menschen irgendwann einmal enttäuscht worden. Doch sie schwieg, um nicht unhöflich zu sein.
Als die Wahrsagerin sich ihren Karten zuwandte, atmete Claudia erleichtert auf. Sie wollte nicht an unerwiderte Liebe denken.
„Sie sagt, es wird Schwierigkeiten geben“, übersetzte Amina. „Jemand ist krank.“
„Oh, hoffentlich niemand aus Ihrer Familie.“
„Nein, aber es hat Auswirkungen auf die Familie.“
„Was ist mit der Fusion?“, fragte Claudia. Schließlich war die im Moment das Wichtigste.
„Sie sieht nichts. Das heißt nicht, dass die Fusion nicht stattfindet, doch in den Karten steht nichts darüber.“ Ami-na runzelte die Stirn.
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