In der Oase des Scheichs
gesehen. Amina reißt mir den Kopf ab, wenn sie erfährt, dass ich dich zuerst mit ins Büro genommen habe.“
Sie folgte ihm die Treppe hinauf bis zu ihrem Schlafzimmer, wo er sie allein ließ. Es war in einem warmen Gelbton gestrichen und hatte einen kühlen blauen Fliesenboden. Ihre Sachen waren bereits ausgepackt worden, und sie schlüpfte schnell in Bermudas und ein kurzärmeliges T-Shirt. Beides gehörte Amina, und die trug ihre Kleidung körperbetonter, als sie es gewohnt war.
Dann nahm sie ihre Kamera und ging nach oben auf die Dachterrasse, von der aus man den Palmenhain überblickte. Dort schoss sie ein Foto nach dem anderen. Zu Hause würde sie eine Fotowand damit gestalten, die sie immer an diesen zauberhaften Ort erinnern sollte, den sie nie wiedersehen würde.
Die Stille tat ihr gut. Es gab kein Geräusch außer dem sanften Rauschen der Palmenwedel in der leichten Brise und dem Gesang der von Baum zu Baum schwirrenden Vögel.
Zum ersten Mal an diesem Tag fühlte sie sich entspannt. Sie durfte einfach nicht so viel Zeit mit Sam verbringen. Sie kamen sich zu nahe, und sie musste ständig aufpassen, dass sie nichts sagte, was ihre Gefühle für ihn verriet. Wenn er ihr in die Augen sah, ihre Hand hielt oder sie ihre Gedanken austauschten, hatte sie stets Angst, dass ihr eine unbedachte Äußerung herausrutschen könnte.
Auch Sam tat es sicher gut, einmal für sich zu sein. Bestimmt war es anstrengend für ihn, ständig für sie dolmetschen zu müssen, ihr alles zu erklären und zu zeigen. Er hatte nur gesagt, dass er müde von der Arbeit sei. Sie hingegen war erschöpft von der Selbstdisziplin, die sie sich auferlegt hatte. Er darf nichts merken. Ich könnte es nicht ertragen, wenn er mich als die arme in den Chef verliebte Assistentin bemitleidet.
Sam suchte sein Zimmer im zweiten Stock auf und zog ein T-Shirt, Cargohose und Ledersandalen an. Eigentlich konnte er nun zurück ins Büro gehen und sich wieder an die Arbeit machen, aber ihm war nicht danach zumute. Nicht ohne Claudia, und er hatte heute schon genug von ihrer Zeit in Anspruch genommen. Zum ersten Mal seit Monaten hatte er das Bedürfnis, abzuschalten und alles hinter sich zu lassen: Schifffahrtsrouten, Umsatzzahlen, Verträge und die Fusion. Er nahm sonst nie Urlaub, hatte nie einen Sinn darin gesehen.
Es musste an der Oase liegen. Er war lange nicht mehr hier gewesen, und sie übte an diesem Tag eine seltsame Wirkung auf ihn aus.
Mit Claudia an seiner Seite sah er den Ort mit völlig neuen Augen. So als wäre er nie zuvor hier gewesen. Er hatte sie beobachtet, als sie durch die Einfahrt fuhren, und gesehen, dass sie sofort verzaubert war. Doch für wie lange? Die meisten Besucher wurden nach einigen Tagen unruhig.
Manchen war die Oase zu abgelegen. Andere fanden das Leben hier zu einfach oder das Klima zu heiß. Aber es gab auch Menschen, die hier ankamen und sich in die Gartenanlage, den Pool, den Springbrunnen, die Bäume und vor allem die Abgeschiedenheit verliebten. Claudia schien dazuzugehören. Er konnte immer noch nicht glauben, wie sehr sie sich verändert hatte.
Seine sonst so kühle Assistentin hatte bei ihrem Rundgang glänzende Augen bekommen. Es sah sie noch vor sich, wie sie eine gelbe Hibiskusblüte pflückte und dann verharrte, um dem Gesang eines Vogels zu lauschen.
Wie würde sie empfinden, wenn es ihr Zuhause wäre und sie hier lebte? Er kannte die Antwort. Er hatte es bei seiner Mutter gesehen. Zuerst war alles romantisch und aufregend für sie gewesen. Irgendwann hatte die Realität Einzug gehalten. Die Verpflichtungen gegenüber der Familie, ungewohnte Bräuche, Heimweh, und sie war gegangen.
Sein Vater hatte es nie verwunden.
Ein Mensch, der das Risiko einer Ehe eingeht, ist zu bewundern, dachte er. Zahara war bereit dazu. Alle Frauen schienen es zu sein. Selbst Claudia. Sie hatte einen Mann geliebt, geheiratet – und sich scheiden lassen. Die Liebeslinie in ihrer Hand besagte, dass sie noch einmal heiraten würde. Er wünschte es ihr. Und der Mann, der sie bekam, konnte sich glücklich schätzen.
Er ging nicht zurück ins Büro. Lieber wollte er den Rückruf seines Vaters abwarten und sich dann mit Claudia zusammen an die Arbeit machen. Als er aufblickte, sah er sie von der Dachterrasse herab fotografieren. Ihr Gesicht war vor Eifer leicht gerötet. Einige Strähnen hatten sich aus ihrem Zopf gelöst und umschmeichelten ihr Gesicht.
War das wirklich dieselbe Frau, die sonst in San Francisco den ganzen
Weitere Kostenlose Bücher