In der Oase des Scheichs
angekommen, sprang er aus dem Sattel. Dann streckte er Claudia die Arme entgegen, um ihr vom Pferd zu helfen. Mühelos glitt sie hinab und an seine Brust, so als gehörte sie dorthin. Fragend blickte sie ihn an und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Wieder durchzuckte ihn das Verlangen, drängender als zuvor, und er beugte sich zu ihr hinab und küsste sie. Die Welt begann sich zu drehen. Ihre Lippen waren sanft und süß, und er wollte sie wieder und wieder küssen. Da hörte er sie überrascht aufstöhnen.
„Es tut mir leid.“ Sam trat einen Schritt zurück. „Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.“ Er sah sich um, als wüsste er nicht mehr, wo er sich befand. „Das wollte ich nicht.“
Sie nickte bloß und entfernte sich mit schnellen Schritten.
Sam übergab die Pferde dem Stallburschen und ging ins Haus. Er hoffte, Claudia hatte die Situation nicht falsch verstanden. Der Kuss hatte nichts zu bedeuten. Sie war eine attraktive Frau und er ein frustrierter Mann. Natürlich würde sie das verstehen. Schließlich sah sie nicht nur gut aus, sondern war auch vernünftig.
Er ging in die Küche, um mit dem Koch das Abendessen zu besprechen. Dort erfuhr er, dass sie Gäste haben würden. Ein Beduine und sein Sohn waren eingetroffen. Das rief ihm sein eigentliches Vorhaben in Erinnerung. Die beiden Männer konnten ihm sicher sagen, wann und wo der Kamelmarkt stattfand.
Ihre Beine zitterten so sehr, dass Claudia kaum die Treppe hatte hinaufgehen können. So war sie noch nie geküsst worden. Sie hatte sich oft vorgestellt, wie es sein würde, wenn Sam sie küsste, doch es war besser gewesen als in all ihren Träumen.
Jetzt lief sie in ihrem Zimmer auf und ab und fragte sich, wie sie hätte reagieren sollen. Sie hatte ihn umarmen und seinen Kuss erwidern wollen. Doch er hatte sich zurückgezogen und sich entschuldigt, noch ehe sie wusste, wie ihr geschah. Es tat ihm leid, dass er sie geküsst hatte. Das hatte er deutlich gezeigt. Ihr hingegen tat es absolut nicht leid. Sie blinzelte rasch, um die Tränen zurückzuhalten.
Dann blieb sie stehen und sah auf die Kleider, die Ami-na für sie gepackt hatte. Zum Glück schien das Zimmermädchen zu wissen, was für das Abendessen passend war, denn es hatte ein langes traditionelles Baumwollkleid mit Stickereien am Halsausschnitt für sie zurechtgelegt. Es gehörte natürlich Sams Schwester. Schnell zog sie sich um und stellte fest, dass es luftig und bequem war und perfekt passte.
Claudia blickte in den Spiegel. Sie sah völlig verändert aus, und sie war es auch. Sam hatte sie geküsst. Ihre Wangen schimmerten rosig, ihre Lippen waren rot und ihr Haar zerzaust. Sie bürstete es, bis es in weichen Wellen über die Schultern fiel.
Nun betrat sie den Balkon vor dem Gästezimmer und beobachtete den Sonnenuntergang über dem Palmenhain. Schließlich konnte sie es nicht länger hinauszögern und ging langsam die Treppe hinunter zum Esszimmer, aus dem Stimmen drangen.
„Ah, Claudia.“ Sam sah sie hereinkommen. „Darf ich dir unsere Gäste vorstellen?“
Die beiden Männer mit Turban und langen Gewändern hatten gehofft, Sams Vater anzutreffen, setzten sich aber nun bereitwillig mit ihnen an den langen Esstisch.
Erleichtert atmete sie auf. Sie waren nicht allein. Dann musste sie auch nicht den ganzen Abend an den Kuss denken. Die Gäste sorgten für Ablenkung und ein unverfängliches Gesprächsthema. Lebhaft erzählten sie von ihren Reisen, während Sam für Claudia dolmetschte.
Der erste Gang bestand aus einer Auswahl an köstlichen Vorspeisen. Danach gab es eine große Schüssel gelben, mit Safran gewürzten Couscous und dazu gegrillte Fleischspieße.
Zwischen den Gängen berichtete Azuri, der Ältere der beiden, von den bevorstehenden Kamelrennen und dem Kamelmarkt. Beides würde in zwei Tagen in einiger Entfernung in der Wüste stattfinden. Claudia, die auf Sams Übersetzung angewiesen war, wurde nicht müde, dem Gespräch zu folgen. Die temperamentvollen Gebärden, die lebhafte Mimik der Männer und die aufgeregten Zwischenrufe faszinierten sie.
Als die Rede auf ein berühmtes Kamel kam, wandte Sam sich an Claudia: „Das ist das Tier, das Vater schon lange haben will. Es ist das schnellste in der ganzen Gegend und gewinnt jedes Rennen. Aber bisher war es unverkäuflich.“
„Was will er damit anfangen?“
„Er hat vor, es hier einzustellen und für verschiedene Rennen anzumelden. Er wird stolz darauf sein, es zu besitzen, und von allen
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