In der Oase des Scheichs
aus. Sam war in Gedanken versunken. Vielleicht überlegte er, wo er auf Dauer leben und wie er mit den Anforderungen seiner Familie umgehen würde.
„Es wird langsam dunkel“, sagte er schließlich. „Auf diesen Moment habe ich gewartet. Jetzt können wir die Sterne betrachten.“
Er holte einen großen Teppich und eine Flasche Wasser. Zu Fuß gingen sie in die Wüste hinein und ließen das Zeltlager hinter sich. Sam rollte den Teppich aus, und sie legten sich flach auf den Rücken darauf. Das Licht der Gaslampen und die Stimmen aus dem Lager schienen meilenweit entfernt.
„Ich weiß nicht, ob du in San Francisco manchmal den Nachthimmel betrachtest. In den Großstädten sieht man nur die hellsten Sterne und den Mond, weil die Lichter der Stadt alles andere auslöschen. Deshalb komme ich so gern hierher, um die Gestirne in all ihrer Schönheit zu bewundern.“
„Brauchen wir kein Teleskop?“
„Irgendwann möchte ich mir eines anschaffen. Sieh, dort drüben sind der Große und der Kleine Wagen. Die Deichsel des Kleinen Wagens zeigt zum Polarstern hin.“
Die Sterne funkelten wie Diamanten am schwarzen Firmament. Claudia glaubte, noch nie etwas so Spektakuläres gesehen zu haben.
Sam griff nach ihrer Hand und deutete auf den Polarstern. Danach ließ er sie nicht wieder los. Hand in Hand lagen sie nebeneinander unter dem Sternenhimmel, als wäre es das Natürlichste auf der Welt.
„Man kommt sich plötzlich so klein und unbedeutend vor, findest du nicht?“, stieß sie atemlos hervor.
„Geht es dir genauso?“ Er drückte ihre Hand.
Sie wollte ihm antworten, brachte aber keinen Ton heraus. Sie war glücklicher, als sie es sich je erträumt hatte. Mit dem Mann, der ihr alles bedeutete, allein unter dem Wüstenhimmel zu liegen. Es machte nichts, dass er sie nicht liebte und dass dieser Augenblick vergehen würde. Sie war klug genug, ganz im Hier und Jetzt zu leben. Und die Erinnerungen daran könnte ihr niemand nehmen.
Als Sam merkte, wie wenig sie über die Sterne wusste, zeigte er ihr die verschiedenen Sternbilder und erklärte die Bedeutung der Gestirne für die Bauern und Nomaden.
Es fiel ihr schwer, sich auf seine Worte zu konzentrieren. Wie sollte sie auch, wenn alle ihre Sinne mit neuen Eindrücken bestürmt wurden. Da war der Geruch der Feuer, die inzwischen an ihrem Lagerplatz angezündet worden waren, der warme Wüstenwind in ihrem Gesicht und der Duft nach Sandelholzseife, der von Sam ausging. Unter sich spürte sie den Teppich und den Sand. Über ihr war nichts als Himmel, unerreichbar, unberührbar und doch …
„Der Skorpion ist nur im Sommer zu sehen“, erklärte Sam.
Claudia war froh, dass sie später keine Prüfung in Astronomie ablegen musste, denn ihr entging sicher eine Menge von dem, was er ihr erzählte. Allein der Klang seiner Stimme ließ ihre Gedanken in eine ganz andere Richtung schweifen. In ihrer Fantasie lag sie in seinen Armen und spürte seine Lippen auf ihren.
„Dort drüben, das ist der Polarstern“, fuhr Sam fort. „Er bildet den Abschluss der Deichsel des Kleinen Wagens. Das zu wissen ist sehr nützlich, wenn man sich in der Wüste verirrt.“
Sie murmelte zustimmend und stellte sich vor, wie es wohl sein mochte, hier in der Wüste die Flitterwochen zu verbringen. Mit nichts weiter als einem Zelt, Pferden, Kamelen und dem Sternenhimmel. Nun gut, einige Bedienstete, die für kühle Getränke und warmes Essen sorgten und das Zelt aufbauten, konnten nicht schaden.
„Wohin sollte eigentlich deine Hochzeitsreise mit Zahara gehen?“
„Bitte?“ Sam klang überrascht. „So weit hatten wir noch gar nicht gedacht. Warum fragst du?“
„Ich dachte gerade, was für ein idealer Platz das hier ist. So … wunderschön.“ Beinahe hätte sie „romantisch“ gesagt, konnte sich aber noch rechtzeitig zurückhalten.
Sam lachte und ließ ihre Hand los. „Da kennst du Zahara schlecht. Ich kenne sie zwar auch nicht sehr gut, aber ich bin sicher, sie würde ihre Hochzeitsreise lieber nach Paris ins Ritz machen, als in einem Zelt in der Wüste zu schlafen. Auch wenn sie einen Pferdetrainer heiratet. Hoffentlich kann er ihr alles bieten, was sie sich wünscht. Verliebt in die Liebe zu sein und jemanden tatsächlich zu lieben sind zwei völlig verschiedene Dinge.“
„Ich dachte, du glaubst nicht an die Liebe?“
„Ich nicht, aber du.“
„Ja“, sagte sie leise.
„Trotz allem, was du durchgemacht hast?“ Er sah sie an. Würde sie ihm diesmal erzählen, was
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