In der Oase
geht kein Risiko ein.« Sie hob den Blick zu seinem, und ihrer war voll ungeweinter Tränen.
»Ich bin so froh«, flüsterte sie. »Oh, so froh, Ramose. Kann sein, man hat mich getäuscht, wie du sagst. Was will Kamose jetzt tun? Und was wird aus dir?« Ramose ging bewusst nicht auf ihre erste Frage ein.
»Ich soll mit General Kethuna zur Oase Uah-ta-Meh marschieren«, sagte er kühl. »Apophis will, dass ich dort falle.«
»Kethuna ist gar kein schlechter General, aber ein kleinlicher Mensch«, sagte sie. »Pezedchu würde dafür sorgen, dass du dir im Kampf das Leben verdienen kannst, aber nicht Kethuna. Ich kann versuchen, ihn zu bestechen.«
»Nein.« Ramose ließ sich auf seinen Stuhl sinken, leerte seinen Becher und stellte ihn sorgsam und nachdrücklich auf dem Tisch vor sich ab. »Vielleicht erwartet Apophis genau das von dir und prüft damit deine Treue.« Er schenkte ihr ein mattes Lächeln. »Glaub mir, Tani, ich bin nicht dumm. Ich tue alles, damit ich am Leben bleibe.«
»Falls es dir gelingt«, fing sie zögernd an, »erzähle Kamose bitte nicht, was aus mir geworden ist. Dich zu sehen ist Strafe genug für mich.« Er fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht, eine erschöpfte und ergebene Geste.
»Was für ein Durcheinander«, sagte er müde. »Dumm wie ich bin, hatte ich mir vorgestellt, wir würden uns begegnen, und du würdest mir jubelnd um den Hals fallen und wir würden eine Flucht aus Auaris planen, würden als freie Menschen zu Kamose laufen und dann zurück nach Waset. Meine Mutter ist jetzt nämlich dort.« Sie schwieg und blickte ihn ausdruckslos an. Er erwartete eine Reaktion, und als keine kam, stand er auf. »Apophis hat Wort gehalten«, meinte er. »Ich habe mit dir gesprochen. Er dürfte sich totlachen! Du bist noch schöner als in meiner Erinnerung, meine Tani. Ich glaube, es wird Zeit, dass ich in mein elendes kleines Zimmer zurückkehre.«
»Ich möchte nicht, dass du mich noch länger liebst, Ramose«, sagte sie sachlich. »Deine Liebe hat keine Zukunft.« Er stöhnte auf.
»Es gibt eine Zukunft«, berichtigte er sie. »Aber mag sein, dass weder du noch ich ihr angehören. Möge dich der Schutzgott deiner Stadt schützen, Tani.«
»Und möge Thot von Chemmenu mit dir sein, Ramose«, antwortete sie mit versagender Stimme. »Mögen deine Sohlen festen Tritt finden.« Wenn sie nur einen Schritt auf ihn zugemacht hätte, wie zögernd auch immer, er hätte sie in seine Arme gerissen. Doch der Augenblick verstrich. Er ging zur Tür und warf einen Blick zurück. Sie stand steif und mit hängenden Armen da und weinte still. Er schaffte es nicht, die Tür hinter sich zuzumachen.
In dieser Nacht betrank er sich mit Absicht und wachte bei Tagesanbruch mit rasenden Kopfschmerzen und furchtbarem Durst auf, und beides war ihm willkommen. Es ist besser so, sagte er sich, während er zum letzten Mal im Palast aß, gebadet und angekleidet wurde. Sowie er seine Sandalen zugebunden hatte, gab ihm der Wachsoldat sein Bündel und befahl ihm, nach draußen zu gehen. Ramose folgte ihm durch die noch verschlafenen Säle und in einen Garten, in dem der frühe Morgensonnenschein auf dem Tau funkelte. Hier blieben sie stehen, denn Apophis höchstpersönlich wartete auf sie, umringt von seinem Gefolge. Ramose, dessen Kopf schier barst und in dessen Augen es pochte, verneigte sich nicht. »Mach dir keine Sorgen, Sohn des Teti«, sagte Apophis als Begrüßung. »Ich kümmere mich um sie. Meine Hauptfrau Uzet hat sie sehr gern.« Ramose starrte ihn trotzig an. Er wusste, dass man ihn quälte und dass er nicht reagieren durfte. Apophis sollte sich nicht daran weiden, dass seine Bemerkung ins Ziel getroffen hatte.
»Ich hasse dich«, sagte er so deutlich, dass seine Stimme durch die klare Morgenluft schallte. »Ganz Ägypten hasst dich. Du gehörst nicht hierher, und eines Tages wird man dich von diesem heiligen Boden vertreiben.« Er trat näher heran, und es machte ihm eine fast irre Freude, als Apophis zurückschreckte. »Dein Gott ist machtlos gegen die vereinten Kräfte der heiligen Gottheiten, die deinen Sturz beschlossen haben«, schloss er. »So lebe denn wohl.« Er erwartete eine unmittelbare Reaktion, ein Schwert, das ihm vielleicht den schmerzenden Kopf vom Rumpf trennte, oder zumindest einen Wutschrei, doch Apophis wölbte lediglich die gezupften Brauen. Das Gemurmel seines Gefolges erstarb, es schwieg entgeistert. Ramose wandte sich verächtlich ab und strebte geradewegs dem Palasttor zu,
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