In der Oase
Oberflächlichkeit für gute Laune und fröhliche Zuversicht gehalten. Deine Familie auch. Hast du eine Vorstellung, was die Nachricht Kamose und deiner Mutter antut, wenn sie ihnen zu Ohren kommt? Und du kannst mir glauben, das geschieht. Apophis wird den richtigen Augenblick abpassen und sie benutzen, wenn sie der Sache eines befreiten Ägypten am meisten schadet.« Er fuhr zu ihr herum, trat dicht an sie heran und beugte sich über die Sitzende, wollte ihr wehtun, wollte sie bluten sehen, wie er an gestorbenen Hoffnungen und Enttäuschungen blutete. »Täusche dich nicht, glaub ja nicht, dass diese Schlange dich liebt«, knurrte er. »Du bedeutest ihm gar nichts, du bist eine Waffe, die er gegen seinen Feind benutzen wird.« Sie schob ihn fort und kam mühsam hoch, umklammerte dabei die Armlehnen mit beiden Händen.
»Hör auf, Ramose!«, schrie sie. »Es reicht! Es reicht! Du täuschst dich! Schlag mich, wenn du willst, da du dir so sicher bist, dass ich es verdiene, aber du täuschst dich.« Ihre Lippen bebten. »Ich habe dich geliebt. Ich liebe dich noch immer. Wir haben einen Traum gelebt, du und ich, aber mehr nicht. Einen Traum! Zu anderer Zeit hätten wir vielleicht heiraten und glücklich sein können. Zu anderer Zeit wachsen Eseln vielleicht Flügel und sie fliegen davon. Es liegt in der Hand der Götter, und uns haben sie eine Zeit bestimmt, in der unsere Liebe nicht reifen konnte. Hier geht es um Größeres.«
»Hier geht es um Größeres«, äffte er sie brutal nach. »Und woher willst du das wissen, eingesponnen in erlesenes Leinen und Gold, wie du bist? Hegst du etwa die hochfahrende Vorstellung, dass du dich für die große Sache geopfert hast, als du eine Setiu-Königin geworden bist? Wie kommst du darauf, dass du so wichtig bist?«
»Ich weiß, dass du mir die Qualen, die ich dir bereitet habe, nie verzeihen wirst«, sagte sie leise. »Aber, Ramose, sieh dich um. Du bist nur ein paar Tage in Auaris gewesen, ich bin fast zwei Jahre hier. Apophis schickt hundertzwanzigtausend Mann gegen Kamose. Noch einmal zweihunderttausend Soldaten liegen hier im Quartier, über die Hälfte davon frisch aus Rethennu. Apophis hat seine Brüder nach Osten geschickt, sie holen Verstärkung, und im Delta wimmelt es von Soldaten. Kamose kann nicht gewinnen. Er war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Das ist mir in den ersten Monaten meines erzwungenen Hierseins allmählich klar geworden. Ich habe Apophis’ Schmeicheleien lange Zeit widerstanden, während ich gründlich nachgedacht habe.« Auf einmal standen Tränen in ihren Augen. »Ich wollte dich. Ich wollte nach Hause. Ich habe mir gewünscht, dass Apophis meine Hinrichtung befiehlt. Aber als mir klar war, dass Kamose am Ende besiegt wird, da habe ich beschlossen, zu leben und den Ehevertrag zu unterschreiben. Als offizielle Königin habe ich Rechte, die eine schlichte Geisel, ja, nicht einmal eine Nebenfrau hat. Ja, ich habe Vorteile aus Apophis’ Zuneigung gezogen, aber nicht aus den Gründen, die du vermutest. Kamose wird scheitern. Er wird als Gefangener hierher gebracht werden. Mit meiner Machtstellung als Königin kann ich mich für ihn und meine Familie einsetzen.« Sie hob die Schultern. »Das ist alles, ob du es nun glaubst oder nicht.«
»Aber, Tani«, drängte er, »was macht dich so sicher, dass Kamose keine Hoffnung hat, Ägypten zurückzugewinnen? Du bist mit der gleichen Blindheit geschlagen wie jeder hier im Palast und sogar in der Stadt. Du siehst nur den Reichtum dieses Ortes, die Zahl der Soldaten in den Kasernen, die Uneinnehmbarkeit der Stadt. Weißt du denn nicht, dass Kamose bereits das ganze Land gehört, ausgenommen Auaris? Dass er einen rücksichtslosen Feldzug geführt hat und nur noch Apophis als Gegner geblieben ist? Der weiß es, aber seine Höflinge offensichtlich nicht. Du inbegriffen.« Er machte schon den Mund auf und wollte weiterreden, wollte ihr vom Plan ihres Bruders erzählen, Apophis’ Truppen aus der Stadt und in die Vernichtung zu locken, doch auf einmal sah er die Gefahr, die darin lag. Er konnte ihr nicht vertrauen, und dieses Wissen brach ihm das Herz. Sein Zorn verrauchte.
»Nein, das habe ich nicht gewusst«, sagte sie leise. »Von Chemmenu und dem Fall der Festung bei Neferusi habe ich gehört, aber man hat mir weisgemacht, es wären vereinzelte Siege, Kamose hätte die Bauern nicht im Griff, und Städte und Dörfer würden ihm nicht helfen.«
»Er hat alles niedergebrannt«, berichtete Ramose knapp. »Er
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