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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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sein Wachsoldat folgte ihm auf dem Fuß.
    Man brachte ihn zu einem wartenden Streitwagen, wo sein Soldat ihn einem Offizier übergab und sich wortlos entfernte. Dann band man ihm die Hände zusammen und führte ihn den Weg zurück, den er gekommen war, durch die Straßen der Stadt und sofort hinaus auf die schmale Ebene zwischen Auaris und seinem schützenden Kanal.
    Er geriet in ein Chaos. Staubwolken nahmen ihm die Sicht, und in ihnen erschienen und verschwanden Menschen und Pferde wie Gespenster. Überall lärmendes Durcheinander. Männer brüllten, Pferde wieherten, Esel, die mit Vorräten beladen wurden, ließen sich von der vorherrschenden Stimmung anstecken und schrien heiser und ausdauernd. Ramoses Wagenlenker fluchte leise, während er versuchte, sich einen Weg durch die wimmelnden Massen zu bahnen. Jetzt könnte ich fliehen, dachte Ramose. Ich könnte hinten vom Fahrzeug springen und im Chaos untertauchen, ehe der Mann da auch nur den Kopf dreht. Doch gerade als er zum Sprung ansetzte, hielt der Streitwagen, der Wagenlenker warf einem Jungen, der schon andere Zügel hielt, seine zu, und die gute Gelegenheit war vorbei. Geschickt ergriff der Offizier den Riemen, der an Ramoses gefesselten Handgelenken hing, und verknotete ihn am Rand des Streitwagens. »Bleib hier«, sagte er unnötigerweise und verschwand. Seufzend setzte sich Ramose auf den Boden, ohne auf die neugierigen Blicke des Jungen zu achten. Er hatte noch immer Kopfschmerzen.
    Er wusste nicht, wie lange er dort gesessen hatte, denn der Staub, den die Soldaten aufwirbelten, als sie sich in Reih und Glied aufstellten, verdunkelte noch immer die Sonne. Man brachte ihm einen vollen Wasserschlauch und einen Beutel Brot, den er in sein Bündel steckte, dann wurde er fortgeführt und stellte sich mitten in einem Trupp Fußsoldaten auf, die ruhig auf den Marschbefehl warteten. Mit einem Handgelenk wurde er locker an den Soldaten zu seiner Linken gebunden. Er sah Kethuna in seinem Streitwagen vorbeiwirbeln, doch der General blickte überhaupt nicht in seine Richtung. Weiter vorn wurde eine Standarte hochgehoben, ein großer, rot bemalter hölzerner Fächer an einer langen Stange, und sofort kam ein gebrüllter Befehl. »Endlich geht es los«, brummelte der Soldat. »Nicht nur dass ich mich letzte Woche verlobt habe, nun muss ich auch noch aufpassen, dass du mir nicht wegläufst. Wie heißt du?« Die Marschsäule setzte sich in Bewegung. Ramose schob sein Bündel höher auf die Schulter.
    »Mein Name ist, glaube ich, nicht mehr sehr wichtig«, antwortete er kurz angebunden. »Aber ich bin Ramose aus dem einstmaligen Chemmenu in der Nomarche Un.«
    »Ich habe gehört, dass Chemmenu jetzt in der Nomarche Nichts ist«, knurrte der Soldat. »Der Feind hat sie gebrandschatzt. Haben Verwandte von dir mitgekämpft? Oder hast du an dem Gemetzel teilgenommen?« Er schüttelte den Lederriemen, der sie aneinander band. »Bist du ein gewöhnlicher Verbrecher oder ein Spion?«
    »In der Nomarche Nichts sind wir jetzt alle«, sagte Ramose grimmig.
    Wenn er beide Arme hätte schwingen können, Ramose hätte die ersten Tage des Feldzugs fast genossen, denn da zogen Kethunas sechzigtausend Mann durch das Delta. Es war gegen Ende des Monats Phamenoth, das Wetter war kühl, die Obsthaine ließen ihre letzten Blüten fallen, die Weingärten prangten in verschiedenen Grüntönen, denn die dunkleren Rebenblätter bewegten sich vor dem helleren Grün der winzigen Trauben. Still spiegelte das Wasser in Kanälen und Seitenarmen einen hohen blauen Himmel. Rings um Auaris konnte man noch immer die Schäden sehen, die Kamoses Brandschatzung ein Jahr zuvor angerichtet hatte. Verbrannte Bäume reckten sich schwarz und skelettartig. Vertrocknete Reben raschelten traurig in der duftenden Brise. Stellen mit verbrannter Erde kennzeichneten die Orte, wo man Leichen verbrannt hatte, und gelegentlich lagen Tierknochen auf dem Weg, doch als sich die Masse Mensch dem westlichen Saum des üppigen Deltas näherte, befand man sich wieder im himmlischen Unterägypten.
    Am Abend des dritten Tages lagerten sie im Schutz des letzten Palmenhains am Saum der Wüste. Ramose und sein Bewacher gesellten sich zu einer Gruppe Soldaten, die um eines der vielen Kochfeuer herumsaßen, die man im zunehmenden Zwielicht entzündet hatte. Die anderen Männer redeten beim Essen, doch Ramose schwieg, seine Augen waren auf die Sandhügel gerichtet, die sich vor ihm erstreckten. Sein Handgelenk war wund gescheuert, doch

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