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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Schritt tat ihm jetzt der Kopf weh und sein Schweiß war kalt. Diese Warnsignale äußerster Erschöpfung kannte er. Falls ich hier draußen sterbe, werden mich die Götter nicht finden, dachte er. Ohne Einbalsamierung komme ich nicht ins himmlische Reich zu Osiris. Ich kann nur hoffen, dass Kamose daran denkt, meinen Namen irgendwo einmeißeln zu lassen, wo er dann für immer steht.
    Er meinte, nicht länger durchhalten zu können, doch mitten in der Nacht, als er stehen geblieben war und eine Sandale fester geschnürt hatte, flüsterte jemand. Einen Augenblick erstarrte Ramose, wagte nicht, sich aufzurichten, ja, nicht einmal die Augen zu bewegen. Das Geräusch wiederholte sich leise, ein Geist rief, und rechts von Ramose bewegte sich etwas. Er wandte den Kopf. Lebendige Augen blickten ihn an. Die ausgedörrten Lippen des Mannes zuckten. »Wasser«, hauchte er. Ramose kniete sich neben ihn.
    »Ich habe keins«, sagte er laut und deutlich. »Das musst du mir glauben. Es tut mir Leid. Ich habe das letzte schon vor Stunden getrunken.« Er wusste nicht warum, aber er musste sich vor dem Sterbenden rechtfertigen. »Wer ist dein Gott?«, fragte er. Der Mund öffnete und schloss sich, aber es kam kein Laut heraus. Die Augen bettelten verständnislos. Ramose stand abrupt auf und verließ ihn.
    Dieser war nur der Erste. Von nun an hörte Ramose das Krächzen und Flüstern der Sterbenden und wusste, dass die Überlebenden von Kethunas Heer nicht weit vor ihm sein konnten. Sein Verdacht bestätigte sich, als eine neue Morgenröte den Himmel färbte, denn vor der aufgehenden Sonne stand eine Wolke aus rotem Staub. In ihrer Mitte konnte er viele dunkle Gestalten ausmachen. Rings um ihn lagen noch immer Sterbende und Tote, weggeworfene Waffen und geplünderte Bündel. Er fühlte nichts mehr, als er hinter den Lebenden hertrottete, und mit einer gewissen Überraschung stellte er fest, dass seine Beine nachgaben, ehe er überhaupt an Rast gedacht hatte. Na schön, sagte er. Versuchen wir also zu schlafen. Er streckte sich aus, wo seine Beine es wollten, und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Er konnte die Toten riechen, aber mittlerweile war es ihm einerlei.
    Erst mitten in der Nacht kam er aus betäubtem Schlaf hoch. Alles tat ihm weh. Scharfe Schmerzen schossen ihm in die Beine und durch die Hüften, als er zitternd aufstand. Gebt uns Wasser!, schrien seine Kehle, sein Magen, seine Eingeweide. Trocken wie Papyrus lag seine Zunge an den Zähnen. Noch nicht, gebot er ihnen streng. Zuerst müsst ihr gehen. Wir müssen uns das Trinken verdienen. Taumelnd, grimassierend kämpfte er darum, Geist und Körper wieder in den Griff zu bekommen. Es fiel ihm schwer, sich dem hitzigen Hass der Sterne auszusetzen, doch er tat es, zunächst stockend, dann mit zunehmender Geschmeidigkeit. Gewiss habe ich noch zwei weitere Tage in mir, dachte er. Ich erinnere mich, dass ich sechs Tage berechnet habe, bis das Heer an den Fluss getorkelt kommt. Heute, heute Nacht, ja, heute ist meine fünfte Nacht. Ich schaffe es. Er machte das zum Lied für seine Füße, ich schaffe es, ich schaffe es, und schleppte sich mit gesenktem Kopf weiter.
    Er hatte keine Ahnung, wie lange er gegangen war, als er mit einem Ruck zu sich kam und merkte, dass er keine Erinnerung an die Stunden seit Sonnenuntergang hatte. Rings um ihn sah es noch genauso aus. Habe ich mich überhaupt bewegt, fragte er sich, oder habe ich nur betäubt am selben Fleck gestanden? Natürlich habe ich mich bewegt, redete er sich gut zu, und tatsächlich gab es winzige Anzeichen dafür, dass er vorangekommen war. Eine leichte Brise umwehte ihn und seine jetzt äußerst empfindliche Nase witterte einen ganz schwachen Hauch von Feuchtigkeit, von Nass hinten im Osten, wo der Weg endlos weiterging. Etwas jedoch fehlte. Nirgendwo besudelten Leichen Luft und Erde. Die Soldaten, die das Glück gehabt hatten, vom Wasser für die Pferde abzubekommen, oder die klug genug gewesen waren, nicht zu trinken, ehe sie die verfluchte Oase betraten, hatten es geschafft. Also kommt es zu einer wie auch immer gearteten Schlacht, dachte Ramose.
    Die Sonne ging auf, doch für Ramose bedeutete sie nur noch mehr Not. Mit zusammengebissenen Zähnen stolperte er weiter, wusste jedoch kaum noch warum. Er blickte nicht auf. Als er das Gefühl hatte, der gleißende Sand wäre näher an seinem Gesicht, als er sein sollte, merkte er, dass er hingefallen war. Seine Beine wollten nicht mehr, also ließ er sie, wo sie waren. Er

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