In der Oase
Oase. Schick einen in jedes Dorf. Sowie alle Soldaten volle Wasserschläuche haben und auch die Fässer für die Pferde gefüllt sind, sollen die Oleanderbüsche abgehackt, zerquetscht und ins Wasser geworfen werden. Wir vergiften das Wasser hier. Alles Wasser, Anchmahor. Wenn wir auch nur eine Wasserquelle auslassen, können wir uns die Mühe sparen. Zerquetscht die Büsche, damit der Saft herausläuft. Passt auf, dass die Soldaten danach nicht mehr ans Wasser gehen. Und niemand darf morgen vor der ersten Rast trinken.« Anchmahor hatte mit kaum verhohlenem Erstaunen zugehört, doch als Kamose geendet hatte, war seine Miene grimmig.
»Majestät, du verurteilst sie zum fast sicheren Tod, falls sie ihren Durst hier nicht stillen können«, sagte er. »Das ist ein grausames Ende.«
»Krieg ist grausam«, erwiderte Kamose schroff. »Dir ist klar, was die gegen uns geschickte Zahl von Soldaten bedeutet. Wir müssen unseren Vorteil so gut wie möglich nutzen.«
»Was ist mit den Dorfbewohnern, Kamose?« Ahmose stand jetzt neben ihm. »Ohne Wasser müssen sie sterben.«
»Pech gehabt. Sie sind mitten in diese brutale Auseinandersetzung geraten«, sagte Kamose mit belegter Stimme. »Ahmose, was soll ich deiner Meinung nach tun? Ihnen irgendwo eine Quelle lassen? Lachhaft. Die Setius würden sie in kürzester Zeit ausgeschöpft haben, uns frisch gestärkt nachsetzen und uns vernichten.«
»Ich weiß. Aber wenn du die Bauern einem so schrecklichen Schicksal überlässt, ziehst du dir die Verachtung jedes gemeinen Soldaten in deinem Heer zu, ganz zu schweigen von den Fürsten, die sich dann allmählich fragen, ob sie dir noch vertrauen können. Sie haben das Gemetzel vom vergangenen Jahr ganz und gar nicht gebilligt. Damit machst du dir nur noch mehr Feinde. Bitte, Kamose!« Kamose merkte, dass er wieder einmal mit der Wut kämpfte, die immer unter seinem gefassten Äußeren zu lauern schien. Es ist mir einerlei, Ahmose, wollte er schreien. Ich will mich nicht kümmern! Derlei weiche Gefühle kann ich mir nicht leisten! Aber wie schon oft schluckte er den aberwitzigen Gedanken hinunter und blickte seinen Bruder ruhig an.
»Und was soll ich deiner Meinung nach tun?«, fragte er noch einmal.
»Befiehl ein paar Männern, dafür zu sorgen, dass die Dorfbewohner ihre Habe packen, ihre Tiere zusammentreiben und mit uns marschieren. Die Oasenbewohner hier sind abgehärtet. Die halten uns nicht auf. Sie sind unschuldig, Kamose. Ein solches Schicksal verdienen sie nicht.« Die Einwohner von Daschlut oder der anderen Dörfer, die auf deinen Befehl hin ausgelöscht wurden, auch nicht, sagten seine Augen. Oder bilde ich mir diesen Vorwurf nur ein?, dachte Kamose.
»Du hast Recht«, sagte er mit Mühe. »Kümmere dich darum, Ahmose.« Dann lächelte er. »Die Vergiftung des Trinkwassers mit Oleander hat Amun uns beiden gleichzeitig eingegeben, nicht wahr?« Als Antwort grinste auch Ahmose.
»So ist es!«, sagte er. »Und jetzt nichts wie weg von diesem trockenen Ort. Verpassen wir Apophis die Prügel, die er verdient!«
An Abend war das Heer zusammengeholt. Den ganzen Tag über waren Männer aus entfernteren Gegenden der Oase eingetroffen, wo man sie untergebracht hatte, ein geordneter Strom sonnengehärteter Männer, die mit ihren Waffen so vertraut waren wie früher mit Hacken und Dreschflegeln.
Gleich nach Sonnenuntergang kehrte Anchmahor zurück und meldete, dass Uah-ta-Mehs Wasservorrat jetzt untrinkbar sei. Kamose nahm die Meldung gelassen auf.
Das Zelt, das sich die Brüder teilten, sollte erst im Morgengrauen abgebaut werden, und während Anchmahor die Getreuen darum verteilte und Kamose und Ahmose in den angenehmen Schatten traten, entstand am hinteren Ende des Teiches ein Aufruhr. Mit einem Fingerschnipsen befahl Anchmahor zweien seiner Männer, die Sache zu überprüfen. Kamose sah die stämmigen Soldaten zu der Stelle gehen, wo ein halb nackter Bauer die Hauptleute anschrie, die ihn festhielten. Nach kurzer Zeit waren die Getreuen zurück. »Es ist der Schulze dieses Dorfes, Majestät«, begann einer zu erklären. »Er möchte dich sprechen.«
»Dann lass ihn kommen.« Auf den Ruf der Wache hin ließen die Hauptleute den Mann los, der sofort über den jetzt kühlen Sand rannte und sich den Brüdern zu Füßen warf. »Steh auf«, sagte Kamose ungeduldig. »Was willst du?« Ehe sich der Mann erhob, küsste er Kamoses staubige Sandale. Kamose blickte in ein ledriges, zerfurchtes Gesicht und in ein eingesunkenes
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