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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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nicht lange und er stieß auf das erste Pferd. Es lag im harten Sternenlicht, ein schwarzer Hügel quer auf dem Weg. Ramose nahm an, dass es verdurstet war, doch als er sich bückte, sah er, dass man ihm die Drosselvene säuberlich und tief durchtrennt hatte. Auf dem dunklen Sand waren ein paar dunkle Flecke, doch nicht genug für die reichliche Menge Blut, die normalerweise herausgeströmt wäre. Ramose richtete sich auf und sah sich um. Ziellos verstreut zwischen Felsen und festgetretenem Sand lagen weitere Tiere, die ein ähnliches Schicksal ereilt hatte.
    Ramose ging nachdenklich um sie herum, ehe er sich wieder in Richtung Osten aufmachte. Er brauchte keinen Weissager, er wusste, was geschehen war. Die Dummköpfe hatten den Pferden die Kehle durchgeschnitten und ihr Blut getrunken. Das wird ihren Durst nicht lange löschen, dachte er grimmig. Blut ist salzig. Sie haben nur ihre Todesqual verlängert und ihr Leben verkürzt. Hat Kethuna das erlaubt oder marschiert er so schnell wie möglich und überlässt die Zurückbleibenden ihrem Schicksal? Und wann stoße ich auf eine noch lebende Nachhut? Ich will die Soldaten nicht überholen. Denn falls ich das tue, bringen sie mich bestimmt um. Aber wenn ich langsamer gehe, laufe ich auch Gefahr zu sterben. Ich habe fast kein Wasser mehr. Er fluchte laut, zuckte im Geist mit den Achseln und trabte weiter.
    Er hatte gehofft, dass er freier atmen könnte, wenn er die jämmerlichen, ausgesogenen Reste der Pferde hinter sich gebracht hätte, doch von nun an war er nicht mehr allein. Er ging durch eine groteske und stumme Gesellschaft, die von dem harten Gegensatz zwischen Form und Schatten in der Wüste noch ärger gemacht wurde. Überall verstreut lagen tote Männer. Steife Finger hatten sich in den Sand gekrallt, kalte Augen spiegelten den Sternenschimmer, einige lehnten sogar aneinander, eine gespenstische Nachäffung von Waffenbrüderschaft. Es war, als hätte ein Krieg zwischen menschlichen Wesen und einer bösartigen, übernatürlichen Macht stattgefunden, die ohne Hiebe töten konnte.
    Und irgendwie stimmt das auch, dachte Ramose, während er langsam, zu langsam, durch diese Landschaft des Grauens schlich. Sie haben die Wüste herausgefordert. Ich habe euch das nicht angetan!, sagte er stumm zu den verstörten Geistern, die er um sich herum schweben spürte. Gebt der Unkenntnis und Dummheit eurer Vorgesetzten und der skrupellosen Klugheit meines Gebieters die Schuld, nicht mir! Und so trabte und betete er, bemühte sich nach besten Kräften, die panische Angst zu unterdrücken, die in ihm aufstieg, und torkelte der Morgenröte entgegen.
    Die Sonne ging zwar auf, doch Ramose hielt nicht an, bis ihn die blanke Erschöpfung dazu zwang. Es war der vierte Morgen seit seinem Aufbruch aus der Oase. Falls er ausreichend Nahrung gehabt und rasch vorangekommen wäre, hätte er vielleicht am Horizont den ersehnten Umriss der Palmen gesehen, welche die Ufer des Nils ankündigten. So aber hatte er keine Ahnung, wie weit Het nefer Apu noch entfernt sein mochte. Trotz seines fieberhaften Wunsches, dem stummen Heer ringsum zu entrinnen, war ihm klar, dass er sich bemühen musste, langsam zu gehen. Er konnte nicht darauf hoffen, dass die gesamten sechzigtausend Mann von Kethunas Heer hier draußen umgekommen waren. Steif und aufgedunsen lagen die Leichen in der Hitze unter einer gleichgültigen Sonne und boten sich Hyänen und Aasgeiern zum Fraß an – und auch Kamose. Ihre nutzlosen Waffen funkelten, bereits halb im Sand vergraben, ohnmächtig zwischen ihnen.
    Undenkbar, dass er versuchte, in ihrer Mitte zu schlafen. Ramose mochte nicht einmal den Blick abwenden, so sehr fürchtete er, dass sie vielleicht doch aufstünden und verstohlen auf ihn zugekrochen kämen.
    Er nickte im Sitzen an einen Stein gelehnt mehrfach ein, wurde jedoch immer wieder mit einem Ruck wach, und dann hämmerte sein Herz, wenn er Hyänen mit vollem Maul zwischen den Leichen herumschleichen sah und Aasgeier auf ihrem Sitzplatz auf lederbedeckten Schädeln krächzen hörte. Er zwang sich bis kurz vor Sonnenuntergang zum Bleiben, denn er wusste jetzt, dass er diesem Tod ringsum erst entrinnen würde, wenn er die Wüste hinter sich ließ. Dennoch stand er schließlich dankbar auf, weil sein Körper etwas zu tun bekam. Er trank das letzte Wasser, entleerte sein Bündel bis auf Dolch und Wasserschlauch, aus dem er vielleicht noch ein paar Tropfen herausquetschen konnte, und zwang sich zum Vorwärtsgehen. Bei jedem

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