In der Oase
tastete nach seinem Umhang, konnte ihn aber nicht finden, sein Bündel auch nicht. Er lag im heißen Sand und lauschte auf das dumpfe Brausen, das von irgendwo weit vorn kam. Männergebrüll und -geschrei übertönten es, doch alles war durch die Ferne und das Geräusch seines eigenen, schwachen Atems gedämpft. Ich höre Het nefer Apu, dachte er verschwommen, unzusammenhängend. Ich höre den Nil fließen. Ich höre, wie mein Gebieter endlich auf die Setius trifft. Fast hättest du es geschafft, Ramose, Sohn des Teti. Fast. Du hast das Menschenmögliche getan, aber es war nicht genug.
Er versank in einer Betäubung, in der Kamose ihm mit beiden Händen eine Schale mit glitzerndem Wasser darbot. Er kam nicht ganz heran und Seine Majestät wurde ungeduldig. »Was ist los mit dir, Ramose?«, fragte er. »Ich denke, du bist durstig.« Nein, dachte Ramose. Ich bin nur müde. Aber Kamose wollte ihn nicht schlafen lassen. »Der hier ist nicht tot«, sagte Kamose. »Erledigt ihn schnell, und dann suchen wir uns bis zum Abend, wenn die Schlacht vorbei ist, ein Plätzchen im Schatten. Hört ihr den Lärm!«
»Warte«, sagte eine andere Stimme. »Den da kenne ich. Das ist kein Setiu. Das ist der Edle Ramose. Ich bin mit ihm zusammen Späher gewesen. Was tut denn der hier halb tot in der Wüste? Wenn wir den sterben lassen, reißt uns der König den Kopf ab.«
Ramose schlug schlaftrunken die Augen auf. Er lag auf dem Rücken. Der Schatten eines Mannes fiel auf ihn. Jemand stieß sacht an seine ausgedörrten Lippen und zwang ihn, sie aufzumachen. Wasser strömte in seinen Mund. Er schluckte heftig, dann drehte er den Kopf zur Seite und erbrach sich in den Sand. »Vorsichtig!«, mahnte der Mann. »In kleinen Schlucken, Ramose, sonst bringt es dich um.« Ramose tat, was man ihm sagte. Er hatte noch nicht genug getrunken, da nahm man ihm den Wasserschlauch weg. Kundige Hände hoben ihn an den Schultern hoch und schleppten ihn in ein schützendes Zelt. Er wollte um mehr Wasser bitten, war jedoch zu müde.
Elftes Kapitel
Kamose saß auf einem mit Grasbüscheln bewachsenen Hügelchen im mageren Schatten einer dürren Tamariske, hatte die Knie bis ans Kinn gezogen und sein besorgter Blick wanderte über die sich schimmernd wellende Wüste zu seiner Linken. Sein Streitwagen vor ihm glänzte heiß, die beiden Pferde standen geduldig mit gesenktem Kopf, der Wagenlenker hockte neben ihnen. Zu seiner Rechten, wo sich der Weg in gefälligeren Palmenhainen und bewässerten Anpflanzungen verlief, ehe er Het nefer Apu und den Fluss erreichte, warteten auch sein Bruder und Hor-Aha.
Elf Tage nachdem Ramose die Oase verlassen hatte, war Kunde gekommen, er hätte Auaris betreten. Das war vor einem Monat und einer Woche gewesen. Pharmuthi war gekommen und gegangen, und jetzt hatten sie Pachons. Auf den Feldern um Het nefer Apu zeigten sich die ersten zarten und zaghaften Schösslinge der neuen Aussaat, als Kamose und sein Bruder auf ihrem Weg von Uah-ta-Meh vorbeigekommen waren, jetzt standen sie hoch und üppig.
Siebzehn Tage nachdem Ramose in dem Ameisenhaufen, nämlich Apophis’ Hauptstadt, verschwunden war, hatte ein erschöpfter Späher berichtet, ein Heer nähere sich Ta-sche von Norden her. Apophis hatte den Köder geschluckt. Und Kamose, ganz verkrampft vor Sorge und Aufregung, hatte den Späher draußen vor seinem Zelt barsch gefragt: »Wie groß ist die Streitmacht?«
»Ich schätze ungefähr die Größe des von Deiner Majestät hier stationierten Heeres«, antwortete der Mann mit vor Erschöpfung heiserer Stimme. »Eine genauere Schätzung war schwierig, ich hätte riskiert, gefangen zu werden.« Kamose nickte.
»Sind sie vor dir aufgebrochen?«
»Ja.« Der Späher grinste. »Ich habe sie den ganzen Tag beschattet, als sie ihre Wasserschläuche und die Fässer für die Pferde gefüllt haben. Sowie sie Ta-sche verlassen und den Weg nach Süden eingeschlagen hatten, bin ich gelaufen. Das war vor eineinhalb Tagen.« Kamose betrachtete ihn schweigend. Einhundert Meilen zu Fuß in sechsunddreißig Stunden! Hatte er nicht einmal zum Schlafen Halt gemacht? »Sie kommen gut voran, Majestät«, fuhr der Mann fort. »In drei Tagen sind sie hier.« Panische Angst durchzuckte Kamose und verflüchtigte sich wieder.
»Wer befehligt sie?«, fragte er.
»Tut mir Leid, ich konnte nicht herausfinden, welcher General bei ihnen ist.«
»Hast du das gehört?«, fragte Kamose Hor-Aha.
»Ja, Majestät. Wir müssen sofort aufbrechen.«
»Dann
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