In der Oase
braunes Auge. Das andere sah ihn blicklos an, ein hellblauer, trüber Augapfel.
»Majestät, Einzig-Einer, Liebling der Götter«, sprudelte der Mann heraus. »Es steht mir nicht zu, deinen unergründlichen Ratschluss anzuzweifeln, denn du bist unfehlbar, auserkoren von den Unsterblichen…«
»Ich habe seit heute Morgen nichts gegessen«, unterbrach ihn Kamose, »und im Zelt steht mein Mahl und wird kalt. Was willst du?« Der Schulze kniff die Lippen zusammen und blickte zu Boden.
»Die Leute in meinem Dorf haben seit Monaten friedlich mit deinen Soldaten zusammengelebt«, stammelte er. »Wir haben uns Fleisch, Korn und Wasser geteilt. Wir haben sie nicht bestohlen. Und als Dank dafür haben sie unsere Teiche vergiftet und uns befohlen, unsere Felder und unser Heim zu verlassen und ihnen in die Ödnis zu folgen. Wir sind verstört und haben Angst. Was soll aus uns werden? Was hast du für uns beschlossen, Geliebter des Gottes von Waset?« Ahmose wollte schon zu einer Antwort ansetzen, doch Kamose hob die Hand und kam ihm zuvor.
»Der Gott Wasets ist Amun der Große Gackerer«, antwortete er gelassen. »Heute hast du etwas Neues gelernt, Schulze. Was deine Sorgen angeht, so mussten wir das Wasser vergiften. Ich muss dir das nicht erklären, tue es aber dennoch. Eine Setiu-Streitmacht ist hierher unterwegs, zu deiner kostbaren Oase, die mich und wahrscheinlich auch euch vernichten will. Durch die Vergiftung des Wassers habe ich sie in eine Falle gelockt. Ich möchte jedoch keine unschuldigen Ägypter zum sicheren Tod verurteilen, darum habe ich die Räumung deines Dorfes befohlen. Wenn wir Het nefer Apu erreicht haben, unterstelle ich dich der Obhut des dortigen Bürgermeisters.« Der Schulze schluckte, dass sein Adamsapfel unter der faltigen Haut seines Halses zuckte.
»Aber, Majestät, wir wollen nicht am Nil leben. Wann dürfen wir hierher zurück?« Kamose seufzte.
»Such einem Heeresarzt und frage ihn, wann das Wasser wieder trinkbar ist«, sagte er. »Entweder kommt ihr mit oder ihr verdurstet. Sei dankbar, dass mir euer Schicksal trotz drückenderer Sorgen am Herzen liegt.« Er winkte einen der lauschenden Getreuen heran und strebte dem Lampenschein zu, der aus dem Zelt drang. »Nun?«, fuhr er Ahmose an, als sie am gedeckten Tisch saßen und Achtoi ihnen auftrug. »Bist du zufrieden? War ich großmütig genug? Werden mich die Bauern jetzt lieben?« Sein Ton war heftig und Ahmose antwortete nicht.
Sie durchquerten die Wüste ohne Zwischenfälle in vier Tagen und wurden von Paheri und Abana herzlich willkommen geheißen. Paheri hatte nichts über Ramoses Schicksal in Erfahrung bringen können. Kamose wusste, dass sein Freund, wäre er entwischt, ihm Nachricht hätte zukommen lassen, daher war es wahrscheinlich, dass Ramose mit den Setius marschierte und mit ihnen ins Verderben. Aber Ramose ist kein Dummkopf, sagte sich Kamose, als er vor Paheris Zelt im Schatten der Schiffe saß, wo man ihm die Tagesberichte vorlas. Falls es jemand schaffen kann, dann er.
Dann war Pezedchu gekommen. Gerade vor dem Morgengrauen des zweiten Tages wurde Kamose von einer Hand auf seiner Schulter geweckt. Anchmahors besorgtes Gesicht dräute im Dämmerlicht über ihm, und im Zelteingang stand ein hoch gewachsener Schatten. Kamose setzte sich mit einem Ruck auf. Ahmose stöhnte und griff nach dem Wasser neben seinem Feldbett. Eine Flamme loderte auf und blendete sie kurz. Anchmahor verneigte sich. »Majestät, der Feind ist da«, sagte er übergangslos. »Dein Späher wartet darauf, dir Einzelheiten zu melden.«
»Hol ihn her.« Kamose fuhr sich mit pelziger Zunge über die Zähne. Der Späher trat näher, verbeugte sich, und hinter ihm tauchte auf einmal Hor-Ahas schwarzes Gesicht im gelben Lichtschein auf, die Augen unter den schweren Lidern noch schlafverquollen, die dicken Zöpfe zerzaust. »Rede«, forderte Kamose den Späher auf.
»Majestät, es ist General Pezedchu«, sagte er. »Er lagert mit ungefähr zehn Divisionen unmittelbar nördlich von uns. Augenblicklich verteilt er seine Truppen von West nach Ost, vom Rand der Wüste bis zum Fluss, der Großteil seines Heeres sammelt sich jedoch in der Wüste. Er hat auch all seine Streitwagen dabei. Er bemühte sich erst gar nicht um Geheimhaltung.« Kamose verschränkte die Arme schützend vor der nackten Brust. Die Luft im Zelt war kühl.
»Woher weißt du, dass es Pezedchu ist?«, wollte er wissen.
»Ich habe meine Abzeichen abgelegt, meine Waffen bei einem meiner
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