In der Oase
Kriegsopfer! Wir sind alle Kriegsopfer und doch sind wir rein geblieben.« Wein schimmerte auf ihrem Mund. Ein paar Tropfen hatten sich in ihrem dunklen Zopf verfangen. »Männer«, fuhr sie zusammenhängender fort. »Ihr könnt euer Leid durch Taten vergessen. Marschieren, schwitzen, Schwerter schwingen, euren Schmerz in sinnlosem Blutvergießen ertränken. Und wir? Tetischeri, deine Schwester und ich? Wie sollen wir uns von diesem Schmerz befreien? Dürfen wir jagen? Dürfen wir im Sumpf Geflügel im Netz fangen? Schwimmen? Zu viel essen? Zu viel schlafen?« Mit einer einzigen Bewegung warf sie den Kopf zurück, leerte den Becher und stülpte ihn mit einem Krach auf den Tisch. »Was sich für uns schickt, hilft nicht, es brennt den Schmerz nicht fort, der im Herzen wächst und wächst. Ihr habt es gut, liebe Söhne. Ihr könnt durch Töten töten.« Als sie gegangen war, räusperte sich Tetischeri.
»Tani ist ihre Tochter«, sagte sie. »Es schmerzt sie mehr als jeden anderen, sogar mehr als mich. Morgen früh wird sie es vernünftiger betrachten. Ahmose, geleite deine Frau in ihre Gemächer, Raa soll sie zu Bett bringen. Iss einen Löffel Honig, Aahmes-nofretari, der beruhigt und fördert das Einschlafen. Geh jetzt.« Die junge Frau nickte und ließ sich von ihrem Gemahl vom Stuhl hochhelfen. Sie weinte nicht mehr. Zusammen gingen sie zur Tür.
»Du darfst zurückkommen«, sagte sie zu Ahmose, »und bis dahin wechsele ich kein Wort mit deinem Bruder.« Das hörte sich nicht spöttisch an. Ahmose nickte und er und Aahmes-nofretari gingen. Uni tauchte in der geöffneten Tür auf.
»Brauchst du noch etwas, Majestät?«, erkundigte er sich.
»Ja. Bring mehr Wein und zwei saubere Becher und was an Süßigkeiten vom Mahl im Garten übrig ist«, befahl sie. »Und überzeuge dich, dass Kares und Hetepet bei Aahotep sind. Bitte Kares, mir in ein, zwei Stunden Nachricht vom Zustand ihrer Herrin zu bringen. Sag Isis, ich ziehe mich heute Abend allein aus. Sie kann zu Bett gehen.« Der Haushofmeister ging unter Verbeugungen. Tetischeri stand auf und durchmaß das Zimmer. »Meine Gelenke tun weh«, murmelte sie. »Ach, Kamose. Die Nachricht von Tani hat Wasser in deinen Wein gegossen. Wir müssen sie nach Haus holen, wenn du den Hochstapler endlich getötet hast. Nimm das Kissen auf dem Fußboden da und leg es auf meinen Stuhl. Die Knochen meiner alten Kehrseite stehen hervor wie das Becken eines Esels. Danke. Wir drei haben viel zu bereden, wenn dein Bruder zurückkommt.« Ahmose stellte sich wieder ein. Die Tür wurde zugemacht. Tetischeri ließ sich auf ihren Stuhl sinken. »Schläft sie?«, erkundigte sie sich.
»Noch nicht, aber sie hat sich etwas beruhigt«, antwortete Ahmose. Er nahm sich einen Teller und einen Becher, füllte beide und setzte sich wieder auf seinen Platz auf dem Fußboden. Kamose setzte sich neben ihn.
»Wir werden Tani aus unseren Köpfen verbannen«, sagte Tetischeri fest. »Nicht aus unseren Herzen und unseren Gebeten natürlich, aber es tut nicht gut, Apophis endlos zu beschimpfen und Tani zu beschuldigen. Ich möchte von dem Feldzug und der Schlacht hören. Die Oase, der Marsch durch die Wüste, das Vergiften der Brunnen und Quellen in der Oase, alles. Die Abanas und Paheri haben mir heute Nachmittag ein klares Bild vom Aufbau deiner Flotte, ihrem Kampfgeist und Ziel gegeben, also langweilt mich nicht mit Sachen, die ich schon gehört habe. An denen hast du gute Männer, Kamose.« Die Brüder sahen sich an, dann hoben sie, ohne sich abgesprochen zu haben, gleichzeitig den Becher.
»Wir trinken auf dich, Großmutter«, sagte Ahmose grinsend. »Dich kann wirklich nichts erschüttern.«
»Werde nicht frech«, gab sie zurück, als sie tranken, doch sie war sichtlich erfreut.
Ihr Trinkspruch hatte die düstere Atmosphäre im Raum gelindert, auf einmal war er ein sicherer Hafen geworden. Die Lampen warfen einen stetigen Schein, milderten die Falten in Tetischeris Gesicht, warfen warme Schatten, die die drei näher zusammenholten. Das Essen auf dem Tisch duftete lieblich, sein Geruch vermischte sich mit schwachem Weinduft und Kamose dachte kurz, dass letztlich nur die Erinnerung an einfache, sinnliche Freuden, die sich im Verlauf des Lebens ansammelte, geistige Gesundheit und Ganzheit gewährleisten konnte. Er begann also zu berichten, was sich seit seinem Aufbruch in Waset zugetragen hatte.
Als Ahmose aufgehört hatte zu essen, warf er gelegentlich etwas ein, und allmählich merkte Kamose,
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