Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
Vom Netzwerk:
Ich halte fast ganz Ägypten, und dennoch blicken sie sich ständig um und befürchten, sie könnten eines schönen Morgens aufwachen und Apophis hat wie durch ein Wunder alles zurück!«
    »Stoße sie vor den Kopf und du kannst noch immer alles verlieren«, warnte Ahmose sofort. »Es ist ein schmaler Grat zwischen beruhigen und sie dazu bewegen, das zu tun, was du willst, Kamose.« Tetischeri stemmte sich vom Stuhl hoch.
    »Ab ins Bett, alle beide«, sagte sie. »Ich bin jetzt müde. Und gehst du morgen in den Tempel, Kamose, und sorgst für einen Dankgottesdienst?«
    »Ja.« Er und Ahmose hatten sich auch erhoben und standen an der Tür. »Schlaf gut, Großmutter.«
    Der Wachposten auf dem Flur salutierte, als sie nebeneinander zu ihren eigenen Gemächern gingen. »Du hast dich endlich mit Tetischeri geeinigt«, meinte Kamose, als sie vor Ahmoses Räumen standen. Ahmose lächelte.
    »So könnte man es wohl nennen«, sagte er. »Mehr als ein Waffenstillstand ist es gewiss. Als wir vorigen Sommer daheim waren, habe ich mir ein Herz gefasst, bin in die Höhle des Löwen gegangen und habe Anerkennung gefordert. Sie hat es gut aufgenommen. Sie hat, glaube ich, sogar ein wenig Achtung vor mir bekommen, seitdem ich Rückgrat bewiesen habe. Ich habe lange gebraucht, bis ich erwachsen geworden bin.« Er hob die Schultern und warf Kamose einen durchtriebenen Blick zu. »Keine Bange, du bist noch immer ihr Liebling«, schloss er. »Ich bleibe bei ihr auf dem Prüfstand und muss mich beweisen.« Bei seinen Worten kam sich Kamose kleinlich vor.
    Er betrat seine eigenen Gemächer, stand ein Weilchen und genoss die vertraute Atmosphäre. Es war schon viele Monate her, dass er auf dem Lager dagelegen, auf dem Stuhl dagesessen und zugesehen hatte, wie sein Leibdiener die Binsenmatten vor den kleinen Fenstern hochhob. Hierher hatte er sich zurückgesehnt, ja, in seiner Vorstellung hatte er die Tür da oft hinter sich zugemacht. Jetzt waren seine tröstlichen Einbildungen wahr geworden, alles lud ihn ein, doch er konnte nicht darauf reagieren. Ich bin noch nicht bereit, sagte er sich ergeben. Ich werde auf dem Schiff in meiner Kabine schlafen. Er nahm seine Kopfstütze und eine Decke und verließ das Haus mit der Absicht, zur Bootstreppe zu gehen, doch irgendwie fanden seine Füße den schmalen, unebenen Weg, der zu der Bresche in der zerfallenden Mauer führte, die den alten Palast umgab. Behek tauchte aus dem Nichts auf und tapste hinter ihm her.
    Die tiefe Dunkelheit drinnen griff nach ihm und umfing ihn, doch er fürchtete sich nicht vor ihr, auch nicht vor dem Geröll und den trügerischen Löchern, die nur darauf warteten, dass man sich darin den Knöchel verstauchte oder sogar die Beine brach. Ehrfürchtig begrüßte er leise die Geister, die in diesen majestätischen Gemächern wohnten, während er hindurchging und dann die staubige Treppe hochstieg und schließlich auf das Dach gelangte. Er schob ein paar lose Steinchen beiseite, entfaltete die Decke, legte sie hin und ließ sich darauf sinken. Sein Hals ruhte auf der Kopfstütze, während sich Behek neben ihm ausstreckte. Lange lag er so und blickte zu den Sternen hoch, die in der riesigen Schwärze über ihm funkelten. Langsam wurde sein Kopf leer. Der Friede, den er nirgendwo sonst finden konnte als in dieser trostlosen Ruine, stahl sich in sein Herz und schließlich seufzte er, die Augen fielen ihm zu und er schlief.
    Sowie der Traum einsetzte, wusste er, worum es ging, und obwohl er schlief, ergriff ihn eine freudige Erregung. Er stellte fest, dass er an dem Fleck stand, wo er zu liegen glaubte, und es war ein strahlender, heißer Sommermorgen. Hinter der Balustrade des Palastdaches wiegten sich die Wipfel der Palmen im böigen Wind, und gelegentlich konnte er den Fluss sehen, dessen Fluten in der Sonne glitzerten. Doch nicht dieser Anblick entzückte ihn. Etwas zwang ihn, sich in Richtung des Amun-Tempels zu drehen. Er wusste im Traum, dass der Kanal, der zu dem gepflasterten Vorhof führte, nicht zu sehen war, dennoch fanden ihn seine Augen schnell. Er wartete und wagte kaum zu atmen.
    Sie kam aus dem spärlichen Schatten des Pylons und ging zum Rand des Kanals. In einer Hand hielt sie einen Bogen und einen Pfeil, beide goldglitzernd, und in der anderen einen langen Speer, dessen silberne Spitze vergoldet war. Sie war militärisch gekleidet: kurzer, grober Leinenschurz, breiter Ledergurt, Ledersandalen und eine Lederkappe, die ihr Haar verbarg. Als ich sie das letzte

Weitere Kostenlose Bücher