In der Oase
dass Ahmose die Unterhaltung übernahm. Weder seiner Großmutter noch seinem Bruder schien aufzufallen, dass er selbst sich ausschwieg. Sie wirkten so harmonisch zusammen, wie Kamose sie noch nie erlebt hatte. Ahmose sprach ungezwungen und lebhaft, antwortete Tetischeri mit Lächeln und Gesten, und sie wiederum wurde munterer.
Die beiden verstehen sich, dachte er. Nach Jahren höflicher Distanz zwischen ihnen empfinden sie auf einmal Achtung füreinander. Wann ist das geschehen? Und wie? Großmutter hat Ahmose immer für nett, aber ziemlich dumm gehalten, und Ahmose selbst hat sich an ihrem herrischen Wesen gestört. Ich bin abgesetzt. Ich gehöre nicht mehr zu dieser Familie und diesem Ort, sagte er sich traurig. Ich bin ein Tao, ich regiere diese Nomarche, aber der Knabe, der junge Mann, der ich gewesen bin, den gibt es nicht mehr. Das liegt nicht einfach daran, dass der Krieg mich verändert hat. Das ist zwar so, aber ich glaube, dass ich seit Si-Amuns Selbstmord auf diesen Augenblick zugegangen bin. Ich liebe sie alle, meine königlichen Verwandten, aber ich gehöre einfach nicht mehr dazu.
Er kam zu sich, als ihm aufging, dass die Unterhaltung beendet war und ihn beide forschend anblickten. »Entschuldigung«, sagte er gezwungen. »Was habt ihr gesagt?«
»Großmutter hat gefragt, ob du Pläne für den nächsten Feldzug hast«, erläuterte Ahmose. »Nach dem Dankgottesdienst und der Feierei müssen wir das Hochwasser hinnehmen, aber was dann, Kamose?« Kamose war so in seine eigenen Gedankengänge vertieft gewesen, dass er nicht wusste, ob sie Hor-Ahas Bitte zugunsten der Medjai besprochen hatten.
»Wawat wird von den Kuschiten bedroht«, sagte er und riss sich zusammen. »Hor-Aha möchte, dass wir eine Strafexpedition gegen sie in den Süden unternehmen. Vielleicht ist es eine gute Idee.« Sofort stellte Tetischeri alle Stacheln auf.
»Wieso?«, wollte sie wissen. »Sollen sich die Wilden doch um ihre eigenen Probleme kümmern.«
»Meinst du nicht, dass wir Hor-Aha etwas schuldig sind?«, fragte Kamose trocken. »Dass uns die Medjai, wenn wir ihnen nicht helfen, verlassen oder noch Schlimmeres?«
»Hor-Aha ist für seine Treue zu diesem Haus durch seine Beförderung zum General und durch einen Fürstentitel und das Versprechen auf eine Nomarche im Delta gut belohnt worden«, gab sie zurück. »Das war sehr dumm gehandelt, Kamose. Damit stößt du letztlich jeden ägyptischen Edelmann vor den Kopf.«
»Hor-Ahas Mutter war Ägypterin«, erinnerte sie Kamose, »und er hält sich trotz seiner Hautfarbe für einen Ägypter. Hinsichtlich eines Medjai-Aufstandes befürchte ich nichts. Wahrscheinlich verschwinden sie einfach, wenn wir sie ärgern.« Er nahm jetzt auf dem Stuhl Platz, den Aahmes-nofretari freigegeben hatte. »Nein«, fuhr er fort, »es gibt bessere Gründe für eine Strafexpedition nach Wawat, als die Familien der Medjai von ihren lästigen Nachbarn zu befreien.«
»Teti-en«, sagte sie unverzüglich. Das war eine Feststellung, keine Frage. Kamose nickte.
»Um den geht es mir. Du weißt von dem Boten, der in der Nähe der Oase abgefangen wurde. Er hatte einen Beistandsplan zwischen Apophis und dem schönen Teti bei sich. Auch wenn ihn die Aufforderung nicht erreicht hat, muss er sich klar sein, was in Ägypten los ist.«
»Und aufgrund dieser Einsicht wird er sich bestimmt ruhig verhalten«, wehrte Ahmose ab. »Das haben wir schon einmal durchgekaut, Kamose.«
»Trotzdem gefällt mir die Drohung nicht und sei sie auch noch so klein«, sagte Kamose. »Aber es gibt noch einen viel besseren Grund, warum ich beschlossen habe, den Medjai zu helfen.« Sein Becher war schon wieder leer und dabei wusste er nicht einmal mehr, wann er ihn ausgetrunken hatte. »Ich will Anspruch auf die Goldstraßen erheben. Wir brauchen Gold, viel Gold: für die Götter, für uns selbst, falls ich zum König gekrönt werde, für die Bezahlung der Fürsten und für den Wiederaufbau Ägyptens. Wir wissen nichts über die Festungen, die unsere Vorfahren zum Schutz der Goldquellen gebaut haben. Die hole ich mir zurück.«
»Dann bist du also fest entschlossen«, sagte Tetischeri. »Das wird den Fürsten nicht gefallen. Sie werden Auaris im nächsten Winter erneut belagern wollen.« Ahmose warf ihr einen warnenden Blick zu, der Kamose nicht entging.
»Die Fürsten sehen nicht weiter als bis zu ihrer eigenen adligen Nasenspitze!«, brauste er auf. »Sie werden tun, was man ihnen sagt, sonst fallen sie bei mir in Ungnade!
Weitere Kostenlose Bücher