In der Oase
geschwommen und gejagt habe, aber trotzdem war da etwas in mir, was nur an einsamen Orten Ruhe finden konnte.«
»Der alte Palast«, meinte sie. »Als wir klein waren, hat uns Vater immer gewarnt, wir sollten uns fern halten, und du hast ihm getrotzt.« Kamose drehte sich um und lächelte.
»Ja. Aber du sollst nicht mein Alleinsein verstehen, sondern mein anhaltendes Zögern, zu heiraten, mir eine Frau zu nehmen. Natürlich lebe ich gern allein, doch das ist nicht der Hauptgrund. Ich bin nicht mehr jungfräulich, Aahmes-nofretari. Und ich habe mich auch nicht geweigert, dich zu heiraten, weil ich dich abstoßend gefunden habe. Weit gefehlt! Ich konnte es nicht, liebe Schwester, wegen einer anderen Frau.«
»Aber, Kamose…« Er hob die Hand.
»Warte. Diese Frau ist nicht aus Fleisch und Blut. Sie besucht mich in meinen Träumen, aber sehr selten. Sie hat mir gezeigt, wie ich unseren Aufstand in Gang setzen konnte. Zuvor hatte ich gedacht, sie ist nichts weiter als die Verkörperung all dessen, was ich will, die vollkommene Frau, die sich aus den Sehnsüchten meines Kas zusammensetzt, mehr nicht.«
Er verstummte und blickte hinaus in den sonnendurchfluteten Garten. »Bis letzte Nacht habe ich sie nicht wieder gesehen«, fuhr er fort. »Die ganzen Monate des Feldzugs hat sie mir gefehlt und ich habe mich nach ihr gesehnt wie nach einer Geliebten. Ich habe noch nie ihr Gesicht gesehen, Aahmes-nofretari. Nur ihren schönen, geschmeidigen Leib und ihr prachtvolles Haar. Aber ich bin zu der Überzeugung gekommen…«, er drehte sich wieder um und da starrte ihn Aahmes-nofretari wie gebannt an, »… dass sie mir Botschaften von Amun persönlich bringt«, sagte er mühsam. »Ich werde dir erzählen, was sie letzte Nacht getan hat, und dann wirst du ihr Tun deuten. Ich habe das eindeutige Gefühl, dass du das kannst.«
»Aber, Kamose, ich bin keine Priesterin, ich gehöre nicht zu den Reinen«, protestierte Aahmes-nofretari. Sorgfältig gab er den Traum wieder, ließ keine Einzelheit aus, und während er ihn neu durchlebte, packten ihn Traurigkeit und Enttäuschung, sodass ihm einige Male die Stimme versagte. Aahmes-nofretari wurde immer erregter, während er erzählte, und als er geendet hatte, saß sie gerade und umklammerte das Laken mit beiden Händen. »Und nun«, sagte er, »bist du an der Reihe, ehrlich mit mir zu sein.«
Er hatte weiteren Widerstand erwartet, Leugnen, ja, sogar Tränen, denn sie hatte seit je nah am Wasser gebaut, doch sie verschränkte die Arme vor ihrem gewölbten Leib. »Die Leute meinen, du bist wenig einfühlsam, weil du meistens so schweigsam bist«, sagte sie nach einer langen Pause. »Sie meinen, du kreist nur um dich selbst und achtest nicht auf die Worte, die um dich herumschwirren, ganz zu schweigen von den unterschwelligen Strömungen.« Sie seufzte. »Du bist ein kluger Mann, Kamose. Ein großer Krieger, sehr ehrlich und unnachgiebig, und daher fällt es nicht schwer, dich zu achten, aber sehr schwer, dich zu lieben. Wir alle scheinen dein feines Gespür unterschätzt zu haben.«
»Weiter«, sagte er knapp.
»Als du letzten Winter daheim warst, hat Amunmose zweimal für dich geopfert, einen Bullen und einige Tauben. Das Blut des Bullen war krank und die Tauben waren innerlich verfault. Amunmose war verzweifelt. Er hat das Amun-Orakel angerufen, weil er eine Erklärung haben wollte.« Kamoses Kehle wurde trocken.
»Die Opfer waren für dich persönlich. Das Orakel hat gesprochen und Amunmose als einer von den Reinen hat es ausgelegt. O Kamose!«, brach es aus ihr heraus. »Du weißt doch, wie Orakel sind! Sie verschleiern ihre Botschaft und können leicht falsch gedeutet werden! Bitte, nimm nicht so schwer, was ich dir sagen muss!«
»Das hängt davon ab, was es ist und ob es mit meiner Auslegung des Traums übereinstimmt«, antwortete er. »Woher weißt du das alles?«
»Ich habe Mutter und Großmutter belauscht, als sie eines Nachmittags am Teich darüber gesprochen haben.«
»Hast du Ahmose von dem Orakel erzählt?«
»Ja. Ich musste die Last mit irgendjemandem teilen und wollte nicht zu Mutter oder Großmutter gehen.«
»Und wie lauten die Worte des Orakels?« Er wollte sie nicht hören, nicht wirklich. Jetzt war der Augenblick gekommen, doch er schreckte davor zurück. Aahmes-nofretari blickte auf ihre verschränkten Arme.
»›Drei Könige gab es, dann zwei, dann einen, ehe das Werk des Gottes vollendet war.‹« Das flüsterte sie beinahe. »Es ist nicht schwer, das
Weitere Kostenlose Bücher