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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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zu entwirren, Kamose.«
    »Nein«, bestätigte er nach einem Weilchen, und auf einmal merkte er, dass seine Füße und Hände trotz der Sommersonne kalt waren. »Ich habe gesehen, wie sie bei dem Kasten stehen geblieben ist«, murmelte er. »Und ich habe gedacht, sie würde die königlichen Insignien aufheben und sie mir bringen, nachdem sie die Waffen abgelegt hatte. Der Kampf ist fast vorbei, habe ich mir im Traum gesagt. Bald werde ich als Geliebter der Maat, Herrscher der Zwei Länder gekrönt werden. Doch sie hat sie liegen lassen. Sie ist mit leeren Händen zu mir gekommen…« Er hatte seine Stimme nur mühsam im Griff. »Ich werde niemals auf dem Horusthron sitzen, ja, Aahmes-nofretari? Niemals die Doppelkrone tragen. Der Ruhm wird Ahmose gehören. Dann muss ich also bald sterben?« Sie warf das Laken beiseite, schob sich zur Bettkante, beugte sich vor und legte ihm die Arme um den Hals.
    »Vielleicht ist ›der eine‹, auf den angespielt wird, gar nicht Ahmose«, sagte sie. »Vielleicht wird Ahmose sterben.« Er drückte sie fest an sich, doch er schüttelte an ihrer warmen Wange den Kopf.
    »Das stimmt nicht mit meinem Traum überein«, sagte er. »Nein. Ahmose und ich haben das Werk der Befreiung Ägyptens fast vollendet, aber er wird die größte Belohnung beanspruchen können, nicht ich.« Sanft schob er sie von sich und stand auf. »Danke, dass du mir das erzählt hast«, sagte er. »Danke, dass du mich nicht behandelt hast wie Tetischeri und Aahotep dich.« Er brachte sogar ein Lächeln zustande, als er ihr einen Kuss gab und zur Tür ging. »Ich liebe dich, Schwester.«
    »Und ich dich, Kamose.« Ihr Blick war gelassen, ein Austausch von Ebenbürtigen. Das tröstete ihn ein wenig, als er leise die Tür hinter sich schloss und zu seinen eigenen Gemächern ging.
    Dreizehntes Kapitel
    Der offizielle Dankgottesdienst für Amun war das prächtigste Fest seit Menschengedenken. Kamose nutzte das Gold aus den gekaperten Schatzschiffen, das im Tempel aufbewahrt worden war, und scheute für die geladenen Gäste und das Fest weder Kosten noch Mühe. Die Huldigung, die er selbst vor Tausenden vollziehen würde, die man auf dem Vorhof erwartete, und vor den wenigen Auserwählten, die im Innenhof stehen durften, sollte am Spätnachmittag stattfinden, doch an diesem Morgen ging Kamose in einem einfachen Schurz, Leinenkopftuch und Sandalen ganz allein durch die Stille der Morgendämmerung, weil er Amun als Zeichen seiner besonderen Verehrung früh begrüßen wollte.
    Der Flusspfad war menschenleer und lag erwartungsvoll schweigend da, als Kamose ihn einschlug, zu dem Kanal gelangte und an seinem beschaulichen Ufer entlangging. Vor ihm ragten die Zwillingspylonen als dunkle Masse vor einem Himmel hoch, der noch immer nachtdunkel war. Doch ein winziges Licht tanzte auf dem Innenhof. Als Kamose es erreichte, blieb er stehen und Amunmose verneigte sich knapp. »Reinige dich«, sagte er und gab die Lampe einem Tempeldiener, und gehorsam folgte Kamose dem Jungen zurück zu den Pylonen und um sie herum, wo sich der heilige See befand, dessen tief schwarze Fluten ganz glatt waren. Hier legte er die Kleidung ab und ging die vier Stufen hinunter, die ins Wasser führten, tauchte ganz ein und ließ die Flüssigkeit in Mund und Augen dringen.
    »Ich bin gereinigt«, sagte er. Amunmose winkte und Kamose folgte ihm über den verlassenen Vorhof zum Innenhof.
    Hier hielt das Dach jegliches Licht fern, abgesehen von ein paar kurzen, schrägen Strahlen der untergehenden Sonne, und um diese Stunde wurde das säulenumstandene Dunkel durch Fackeln erhellt. Die niederen Priester hatten gerade die übliche Prozession mit Essen, Bier, Wein, Öl und Blumen zum Hauptaltar beendet, alles war mit Wasser aus dem heiligen See besprengt und gereinigt und mit Weihrauch geweiht worden. Kamose atmete ihn tief ein. Hinter sich hörte er die Tempelsänger, die sich sammelten, Geraschel und Geflüster und leises Husten, doch er drehte sich nicht um.
    Im Fackelschein näherte sich Amunmose dem Heiligtum, seine lange weiße Tunika leuchtete und das fauchende Leopardenmaul des Fells, das er sich über eine Schulter gelegt hatte, stieß sacht an seine Hüfte. An der Tür blieb er stehen, wartete auf das Zeichen eines Tempeldieners hoch oben auf dem Dach des Tempels, dass die Sonne soeben über den Horizont gestiegen sei. Nach etlichen Augenblicken kam der Ruf, er erbrach das Tonsiegel am Heiligtum und machte die Tür weit auf. Sofort stimmte ein Priester

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