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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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an: »Gehe auf, du großer Gott! Gehe auf! Du bist der Friede.« Die hinter Kamose gescharten Sänger sangen die Antwort: »Du bist aufgegangen! Du bist der Friede! Gehe auf in Schönheit und in Frieden! Erwache, o Gott dieser Stadt, zum Leben!« Wieder erhob sich die Einzelstimme und wieder antwortete der Chor: »Deine Brauen erwachen in Schönheit, o strahlendes Antlitz, das keinen Zorn kennt!«
    Im Allerheiligsten, dem kleinen, geheimen Herzen des Tempels, saß Amun und lächelte milde und die gelben Flammen glitten über seine goldene Haut wie kostbares Öl. Die beiden Pfauenfedern, uraltes Symbol seiner Verkörperung als Großer Gackerer, ragten zierlich aus der Krone, die seine Stirn umfasste. Mit den Händen auf den Knien blickte er Kamose gütig an und erkannte ihn. Zu seiner Linken ruhte auf ihrem Sockel die heilige Barke, mit der er seine seltenen Reisen unternahm. Zu seiner Rechten stand die erlesen geschnitzte Truhe aus Zedernholz, in der die verschiedenen Utensilien lagen, die Amunmose für die Waschungen des Gottes und einen weiteren Altar brauchte, auf dem die Opfergaben des vergangenen Abends lagen.
    Amunmose waltete seines Amtes, während Kamose leise mit ihm sprach. »Mein Gebieter, mein Schutzgott, Beschützer Wasets und Unterstützer meiner Familie«, sagte er und ein Kloß stieg ihm in die Kehle. »Ich erkenne deine Allmacht an. Ich bete zu deiner gütigen Macht. Später komme ich mit dem ganzen Prunk und mit den prächtigen Insignien meines Königtums, doch jetzt stehe ich demütig als dein Sohn vor dir. Ich danke dir für den Sieg, den du meinem Heer in deiner Güte geschenkt hast. Ich danke dir für die heiligen Träume, die du mir geschickt und durch die du deinen Wunsch deutlich gemacht hast. Ich danke dir für das Vorrecht, dass ich den schmutzigen Abdruck fremdländischer Füße von diesem Land tilgen konnte, sodass du schmerzlos auf Ägyptens Erde wandeln kannst, und ich schwöre dir, dass ich dich zum Gott aller Götter machen und dafür sorgen werde, dass sich jedes Knie in Ägypten vor deiner Macht beugt, wenn du mir Auaris gibst.«
    Aber für das Orakel danke ich dir nicht, sagte er stumm. Ahmose hat vielleicht eines Tages Grund, hier zu stehen, wo ich jetzt stehe, und dir für die Worte zu danken, aber mir fällt es schwer, o Mächtiger, obwohl es natürlich gerecht ist. Vergib mir diese winzige Angst, die in meiner Seele lauert.
    Ach, mach, dass ich trotz des schrecklichen Orakels mit der Doppelkrone auf dem Kopf hierher kommen und meine eigene Gottheit weihen lassen kann!, war Kamoses leidenschaftlicher Gedanke. Hab Mitleid mit meiner Qual, Amun! Gewähre mir, dass ich tatsächlich die höchste Belohnung für meine schlaflosen Nächte und die mit Tod erfüllten Tage erhalte! Doch er las keine Veränderung in dem milden, undeutbaren Lächeln.
    Kamose warf einen letzten Blick auf das höchste Wesen, das irgendwie sein Seelengefährte wie sein Gott geworden war, und ging vor Amunmose her, der darauf die Tür zumachte und verriegelte und sie wieder mit Ton versiegelte. Die Sänger schwiegen, machten vor der Tür ihren Fußfall und verliefen sich dann. Amunmose drehte sich zu Kamose um und lächelte. »Kommt mit in die Sakristei, Majestät«, sagte er. »Ich muss dir etwas zeigen.«
    Der Vorhof lag jetzt im klaren Frühsonnenschein und der Himmel darüber hatte einen zarten Blauton. Amunmose ging zu einer der großen Vorratskisten an der Wand, hob den Deckel und holte eine Kette heraus. Sie funkelte auch ohne unmittelbares Licht. »Amuns Goldschmiede haben sich erlaubt, zehn davon zu schaffen«, sagte er zu Kamose. »Amun hat dir den Sieg bestimmt. Darum haben die Männer in der Gewissheit gearbeitet, dass du das Gnadengold an die verteilen möchtest, die sich hervorgetan haben.«
    Das Gnadengold. Kamose verschlug es für einen Augenblick die Sprache. Er nahm seinem Freund das schwere Ding ab und blickte es kurz an und seine Gefühle übermannten ihn. Jeder der goldenen Ringe war zwar dick, jedoch aus kunstvollem Filigran. Kamose wusste, wie viele Stunden hingebungsvoller Arbeit in solch einem Schatz steckten. »Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll, Amunmose«, sagte er mit belegter Stimme. »Seit Menschengedenken ist weder das Gnadengold noch das Fliegengold verliehen worden. Ich kann dir nur versprechen, dass mehr Gold in Amuns Schatzkammern strömt, als selbst er sich vorstellen kann.« Er umarmte den Hohen Priester und drückte ihn fest an sich. »Lass sie Achtoi bringen«,

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