In der Oase
Kamose bekümmert an. »Wir können noch immer in der Schlacht sterben«, fuhr er sachlich fort. »Du und ich. Falls wir beide fallen, ist Ahmose-onch der einzige Erbe des Horusthrons, ob wir ihn nun zurückerobert haben oder nicht. Kinder sind so empfindlich, Kamose. Sie sterben so schnell. Sie sterben plötzlich.« Er schob den Teller mit dem Obst weg. »Heute geht es Ahmose-onch noch gut. Er tapst vergnügt herum, belästigt Schlangen und treibt die Diener in den Wahnsinn. Aber morgen schon kann er fiebern und wird am nächsten Tag ins Haus des Todes getragen. Wer erbt dann Ägypten? Du weigerst dich zu heiraten und Söhne zu zeugen. Wir Taos müssen aber Söhne haben.« Er blickte finster. »Falls Aahmes-nofretari ein Mädchen zur Welt bringt, sind wir in einer heiklen Lage.«
»Ich weiß«, bekannte Kamose, und vor seinem inneren Auge standen sein Vater und Si-Amun. Seqenenre hatte drei Söhne gezeugt. Zwei waren noch übrig. Und einer von uns wird es nicht überleben, dachte er grimmig. Laut Orakel bin ich das. »Du kannst dir eine zweite Frau nehmen, Ahmose«, sagte er vorsichtig.
Ein langes Schweigen. Beide blickten starr auf die Fliegenwolken, die herumschwirrten und jetzt auf dem ausgelöffelten Granatapfel und dem heraussickernden dunkelroten Saft herumkrochen. Ahmose räusperte sich.
»Du glaubst nicht, dass du noch viel länger lebst, Kamose, oder?«, sagte er leise. »Du weißt Bescheid über das Orakel. Ich auch. Aahmes-nofretari hat uns beiden davon erzählt. Dennoch bete ich inniglich darum, dass da ein Fehler unterlaufen ist, dass wir uns wegen eines Hirngespinstes Sorgen machen. Ich habe daran gedacht, mir eine andere Frau zu nehmen«, knurrte er und hieb mit dem Fliegenwedel auf die Luft ein. »Aber ich will die Maat nicht versuchen. Noch nicht. Vielleicht überlegst du dir es ja doch und tust deine Pflicht, Kamose, heiratest selbst und schenkst uns königliche Söhne.« Er warf den Fliegenwedel ins Gras und blickte seinem Bruder endlich in die Augen. »Außerdem duldet es Aahmes-nofretari noch nicht, dass ich meinen Samen anderswo lasse, auch wenn es mein gutes Recht ist. Sie hat viel gelitten, hat Si-Amun und ihr erstes Kind verloren, sie ist mir statt dir zugeteilt worden und versucht jetzt, mit Tanis Verrat zurechtzukommen. Sie und Tani haben sich immer auf eine Art nahe gestanden, die wir Brüder nicht verstehen werden. Ihr Leben ist ein Verlust nach dem anderen gewesen.«
»Sie hat sich verändert«, unterbrach Kamose ihn, ohne nachzudenken. »Als ich mit ihr gesprochen habe, nachdem wir das mit Tani erfahren hatten, habe ich etwas gesehen, was früher nicht da war. Eine Festigkeit. Beinahe eine zurückhaltende Kühle. Ob das von Dauer ist, weiß ich nicht. Sie hat gesagt, sie ist jetzt erwachsen.«
»Die Warterei ist hart«, meinte Ahmose und Kamose merkte, dass das augenblickliche Thema für ihn abgeschlossen war. »Gehen wir schwimmen, Kamose? Der Garten ist bereits ein Backofen. Oder möchtest du essen?« Kamose schüttelte den Kopf und musterte angeekelt das vertrocknete Brot und das zerfließende Stück Ziegenkäse. Als er aufblickte, sah er seinen Herold kommen. Er und Ahmose standen auf und der Mann verbeugte sich.
»Du hast mich holen lassen, Majestät?« Kamose nickte.
»Bring allen Fürsten und Befehlshabern eine Botschaft«, sagte er. »Sie dürfen nach Hause fahren und sich um ihre Ernte und ihre Familienangelegenheiten kümmern. Sie sollen meiner Großmutter regelmäßig Bericht über den Zustand ihres Besitzes schicken. Meine Erlaubnis gilt insbesondere für Fürst Anchmahor. Sag ihm, er soll den Befehl über die Getreuen an seinen Stellvertreter übergeben. Fürst Hor-Aha soll jedoch noch nicht aufbrechen. Ich möchte ihn später sprechen. Das ist alles.«
»Anchmahor wird dir fehlen«, sagte Ahmose. »Aber wenigstens behältst du Hor-Aha. Wenn du dir das mit Wawat doch nur überlegen würdest. Ich hasse den Süden. Unerträgliche Hitze und wilde Menschen. Ich möchte nicht dorthin.« Kamose zog sich Schurz und Sandalen aus. Nackt ging er den Pfad zum Fluss entlang.
»Ich auch nicht«, rief er über die Schulter zurück. »Aber, Ahmose, denk an das Gold!« Dennoch fiel es auch ihm schwer, nur an das Gold zu denken.
Es gab noch immer keine Neuigkeiten aus dem Haus, nachdem die Brüder tropfnass auf die Bootstreppe geklettert und durch den Garten zurückgegangen waren. Als Kamose dann geschminkt und angekleidet war, bat er Ahmose, ihn zum Westufer zu begleiten, um
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