In der Oase
Bruder ließ Aahmes-nofretaris Hand los und wandte sich ihm ganz zu.
»Das haben wir tausendmal durchgesprochen, Kamose«, sagte er leise. »Man kann nichts an ihrem Argwohn und ihren Vorurteilen ändern. Vermittle ihnen das Gefühl, dass sie etwas Besseres sind, und es macht nichts mehr.« Er verzog die Lippen und klopfte Kamose aufs Knie. »Fürst Meketra hat kein Gnadengold erhalten«, fuhr er fort. »Er ist nicht einmal hier. Warum?« Kamose rutschte hin und her.
»Er hat keine Schlachten für mich geschlagen«, sagte er grob. »Er hat lediglich Teti verraten. Für seinesgleichen ist das Gnadengold nicht gedacht.«
»Er hätte wenigstens zum Dankgottesdienst und zum Fest eingeladen werden sollen«, drängte Ahmose. »All die anderen Fürsten sind anwesend. Die Kunde von den prächtigen Feiern, zu denen er nicht geladen war, wird rasch nach Chemmenu dringen. Was meinst du, geht dann in ihm vor? Wird er froh sein, dass er im ruhigen Chemmenu bleiben durfte? Nein. Er wird verbittert und gekränkt sein.«
»Stimmt«, gab Kamose zurück. »Ich wollte ihn nicht absichtlich beleidigen, Ahmose, aber ich traue ihm nicht und komme nicht dagegen an.«
»Was seinen Charakter angeht, bin ich deiner Meinung«, sagte Ahmose mit einem Seufzer und drehte sich wieder zu seiner Frau um. »Hoffentlich haben wir uns damit nicht Ärger für später eingebrockt. Intef und Iasen traust du auch nicht, aber beide sind hier.« Darauf gab es nichts zu erwidern. Kamose trank hastig seinen Wein aus, bat seine Gäste weiterzufeiern und verließ still den Saal. Ihm reichte es.
Es gab keinen Ort im Haus, wo er sich dem auf-und abschwellenden Festlärm entziehen konnte. Sogar in seinen eigenen Gemächern und bei geschlossener Tür konnte er noch immer trunkenes Gequietsche und Gelächter hören, und so flüchtete er mit einem Umhang über dem Arm in den Garten, aber dort war es auch nicht friedlicher. Er schlenderte zum Fluss, beantwortete im Gehen den Anruf der Wachen und kam schließlich zu seiner Bootstreppe, wo die Barke der Familie und ein paar Boote vertäut lagen und beschaulich vor sich hin dümpelten. Zu seiner Rechten lagen in einiger Entfernung die größeren Schiffe, dunkle Gebilde, deren Masten in den bestirnten Himmel ragten. Kamose überlegte kurz, ob er sich auf das schmale Feldbett in der Kabine legen sollte, die er sich mit Ahmose so viele Wochen geteilt hatte. Doch er hüllte sich lieber fest in seinen Umhang, legte sich in eins der Boote und war auf der Stelle eingeschlafen.
Er hörte nicht, wie sich der Saal um die Morgendämmerung herum leerte und sich die gesättigte Menge in die Stadt begab oder auf die Unterkünfte verteilte, die Tetischeri zur Verfügung gestellt hatte. Und er rührte sich auch nicht, als die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne den neuen Tag ankündigten. Er kam erst schlaftrunken zu sich, als sich Achtoi über ihn beugte und seinen Namen rief. Kamose setzte sich auf und blinzelte in die helle Morgensonne. »Ich suche seit Stunden nach dir, Majestät«, sagte der Haushofmeister etwas gereizt. »Die Prinzessin liegt in den Wehen, sie haben kurz nach ihrem Aufbruch um Mitternacht eingesetzt. Der Arzt und ihre Mutter sind bei ihr. Der Prinz frühstückt am Teich, falls du ihm Gesellschaft leisten möchtest.«
»Danke, Achtoi.« Kamose stieg aus dem Boot. Das Wasser, das seine Füße umplätscherte, fühlte sich kühl an und langsam wurde sein Kopf klarer. »Ich speise mit Ahmose. Schick mir bitte meinen Herold. Und sieh mich nicht so an. Ich bade später.« Mit einer Verbeugung trat Achtoi wieder auf das Pflaster zurück, schlüpfte in seine Sandalen und verschwand auf dem Gartenweg. Kamose folgte ihm langsamer.
Er fand Ahmose im Gras unter einem Sonnensegel mit Brot und Käse und einer Schale Obst neben sich. Er winkte Kamose zu sich in den Schatten. »Sie hat mich geweckt, als ich gerade einschlafen wollte«, sagte er ohne weitere Vorrede. »Keine Bange, sie ist froh, dass sie bei dieser Hitze nicht noch einen weiteren Monat schwanger sein muss. Mutter passt auf, dass alles gut geht, und ein Priester ist bei ihr und verbrennt Weihrauch für Bes.« Geschickt schnitt er einen Granatapfel auf und löffelte die Samen. Kamose blickte ihn neugierig an.
»Und du«, sagte er, »machst du dir Sorgen?« Ahmose legte den Löffel hin und runzelte die Stirn.
»Nicht um Aahmes-nofretari«, meinte er. »Es ist ihr drittes Kind. Sie ist jung, gesund und kräftig. Aber ich sorge mich um Ägypten.« Er blickte
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