In der Oase
ziehen? Anchmahor scheint dagegen zu sein.« Kamose nickte. Er griff an ihr vorbei und schenkte sich selbst einen Becher Bier ein.
»Ich weiß«, meinte er. »Er hat so etwas angedeutet. Großmutter, hast du etwa mit dem Befehlshaber meiner Getreuen Geheimnisse?«
»Nicht wirklich«, sagte sie sichtlich erfreut. »Aber wir mögen uns und wir sind uns einig in der Sorge um dein Wohlergehen. Hast du ihn um seine Meinung gebeten?«
»Ehrlich, Tetischeri, bisweilen ist deine Sucht, uns alle zu beherrschen, sehr lästig«, erwiderte Kamose, doch er wusste nicht recht, sollte er das ärgerlich oder lustig finden. »Hier trifft nicht Anchmahor die Entscheidungen.«
»Nein, aber er rät vernünftig. Er ist ein kluger Mann.« Kamose leerte seinen Becher.
»Ich brauche seinen Rat nicht«, gab er zurück. »Und ich bitte dich auch nicht um deinen. Wir müssen uns um Wawat kümmern, wenn wir die Medjai bei der Stange halten wollen.« Seine Mutter hatte ihrem Wortwechsel still zugehört. Jetzt hakte sie rasch ein.
»Wir sorgen uns wegen der Verteidigung«, sagte sie bedächtig und bestimmt. »Während der zwei Feldzüge haben Tetischeri und ich die Soldaten hier befehligt, den Fluss überwacht und in Pi-Hathor ein Spionagenetz aufgebaut. Das können wir wieder machen, aber, Kamose, es ist eine große Verantwortung.« Kamose spielte mit seinem Becher und ließ ihn fast fallen.
»Ihr habt Spione in Pi-Hathor? Aber warum habt ihr mir das nicht erzählt?«
Aahotep sagte achselzuckend: »Das war nicht nötig. Du hattest schon zu viel um die Ohren. Außerdem hat sich Het-ui, der Bürgermeister, an die Vereinbarung mit dir gehalten, und das tut er angesichts deines überwältigenden Erfolgs in diesem Winter auch weiter. Und da wir gerade bei Spionage sind, hast du schon daran gedacht, in Auaris Spione anzuwerben? Spione können dir von der Stimmung unter der Bevölkerung dort, von der Zahl und Verteilung von Apophis’ verbleibenden Truppen, von Handel und Wandel berichten.«
Sie warf Tetischeri einen verständnisinnigen Blick zu. Kamose sah es mit Verwunderung und es überlief ihn kalt. Einen flüchtigen Augenblick kannte er sie nicht mehr, diese Frauen, die seine Kindheit behütet und den Haushalt regiert hatten.
»Die Angelegenheit überlasse ich, glaube ich, euch«, sagte er etwas benommen. »Ihr eignet euch offensichtlich besser für solche Pläne. Es stimmt, Frauen sind Männern weit überlegen, wenn es um Überlisten, Lenken und Täuschen geht.« Seine Mutter lachte.
»Mein lieber Junge, du siehst aus wie ein verstörtes Schaf«, schalt sie ihn. »Ich weiß nicht, ob ich wegen deiner Verwunderung geschmeichelt oder beleidigt sein soll. Wir sind vielleicht nur Frauen, aber wir sind auch Taos. Es mangelt uns nicht an Mut oder Klugheit. Soll ich dir Bier nachschenken?« Er nickte wie betäubt und sein Blick hing an ihren langen, anmutigen Fingern, als sie die dunkle Flüssigkeit in seinen Becher rinnen ließ. »Darum kann ich Tani nie verzeihen«, fuhr sie im Plauderton fort. »Niemals. Und jetzt, Tetischeri, sollten wir unser Lager aufsuchen und später Aahmes-nofretari besuchen. Was meinst du, stellen wir eine zweite Kinderfrau ein oder schafft es Raa, sowohl die Kleine als auch Ahmose-onch zu versorgen?« Sie erhob sich beim Sprechen und Tetischeri folgte unter viel Gestöhne und Beschwerden über ihre steifen Gelenke. Sie verneigten sich zerstreut vor ihm und verließen den Saal, in eine ungezwungene Unterhaltung vertieft, und dann war Kamose allein und blickte ihnen im Dämmerlicht versonnen nach. Sie wirkten sehr mit sich zufrieden.
Vierzehntes Kapitel
Kamose schickte Ipi ins Tempelarchiv, dass er alle Landkarten von Kusch und Wawat holte, die dort die schlimmen Zeiten überdauert hatten, seit seine Vorfahren Festungen im Süden gebaut und regelmäßig Handel getrieben hatten. Ursprünglich war nur den niedrigsten Setius erlaubt worden, ihre Herden während der Trockenzeit in Rethennu im Delta zu weiden, danach mussten sie in ihr eigenes Land zurückkehren. Doch allmählich blieben sie länger im immer frischen Delta und bauten Dörfer. Dann folgten ihre wohlhabenderen Brüder, ehrgeizige und kluge Männer, die ein lebhaftes und raubtierhaftes Interesse an Ägyptens schwacher Verwaltung hatten. Man kannte sie im ganzen mittelländischen Raum als Händler, die ihre Waren auf den Inseln im Großen Grün feilboten und sich sogar bis nach Naharin wagten, um Reichtümer zu erwerben, doch das hatte ihnen die Verachtung
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