In der Oase
Tod sehr nahe zu sein. Ein einziges Unglück, ein einziger Fehler, ein einziger Ausbruch von Fieber, und wir sind unserer unbarmherzigen Umgebung auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Ich verliere bereits die Kontrolle über meine eigenen Gedanken und natürlich habe ich keine Kontrolle über das, was sich in Ägypten tut. Ich muss Wawat dringend hinter mir lassen.
Ahmose langweilt sich, aber er grübelt nicht. Als wir an Toska, einem Medjai-Dorf am Ostufer, vorbeigekommen sind, hat er sich ein Binsenboot bringen und durch die reißende Strömung staken lassen, weil er unsere Namen in die Felsen einmeißeln lassen wollte. Ich bin böse auf ihn gewesen, weil er sich in Gefahr gebracht hat, aber er hat nur gelacht. »Ich stelle sicher, dass uns die Götter finden, falls etwas schief geht und unsere Grabmäler zerstört werden«, hat er gesagt.
Ich bin überrascht und erfreut, dass es Aahmes-nofretari auf sich nimmt, den Drill der Soldaten in der Wüste zu überwachen, und dass sie Männern, die sich in Scheingefechten hervorgetan haben, kleine Belohnungen gibt. Sie hat meine Anweisungen beherzigt. Sag ihr, dass ich es gut finde.
Ich schreibe nun nicht wieder, Großmutter. Wenn alles gut geht, kann ich dich irgendwann im Tybi in die Arme schließen. Dem Oberschreiber Ipi diktiert und mit eigener Hand unterzeichnet. Kamose.
Fünfzehntes Kapitel
Diese Heimkehr war irgendwie anders. Das lag nicht an dem breiten, träge fließenden Nil, der noch immer ein wenig über der Uferzone plätscherte, auch nicht an dem prächtig sprießenden, neuen grünen Leben am Ostufer. Und auch nicht an der blendend weißen Bootstreppe, an der sich rings um die blauweißen Pfähle am Anlegeplatz das Wasser kristallklar kräuselte, als sich sein Schiff näherte. Das Weinspalier wölbte sich noch immer über dem Weg, der sich unter den ausgebreiteten Ästen der Sykomoren dahinschlängelte. Die Mauer, die den Garten vom alten Palast trennte, bröckelte noch immer vor sich hin und der Palast selbst erhob sich darüber mit der gewohnten abgenutzten adligen Würde. Kamose, neben dem Ahmose und Ramose standen, packte die Reling mit beiden Händen und spürte, wie ihm warm ums Herz wurde, als sein Blick über die vertraute Szenerie wanderte.
Eine eigentümliche Freude brachte sein Herz zum Hämmern und er suchte das sonnengebadete Panorama nach einer Veränderung ab, nach etwas, was erklärt hätte, warum sich jede Faser seines Leibes entspannte, warum sich seine Stimmung hob, aber er fand nichts. Alles war, wie es sein sollte, wie es immer gewesen war, Haus, alter Palast, Tempel, Stadt, alles fügte sich zu der gewohnten Ansicht, die er von Kindesbeinen an kannte. Klar, auf dem Fluss wimmelte es von Schiffen aller Arten und überall am Ufer waren Soldaten zu sehen, daher wusste er, dass die Fürsten eingetroffen waren, doch Schiffe und Männer erklärten keineswegs die Erleichterung und den Jubel, den er empfand.
Nein, dachte er auf einmal. Nein. Mein schönes Waset ist sich gleich geblieben. Ich habe mich verändert. Mit mir ist in Wawat etwas geschehen, mein Ka hat sich verändert, und das so unmerklich, dass ich es nicht bemerkt habe. Wann? Warum? War es ein rascher, unbemerkter Vorgang oder eine winzig kleine Veränderung, weil ich einen gewissen Sonnenfleck auf einem gewissen Hügel auf eine gewisse Weise gesehen habe? Ach, großer und mächtiger Amun, heißt das, alles wird gut? Dass mir jetzt Steine von der Seele gefallen sind und ich es wagen kann, mich auf die Eroberung von Auaris, auf die Rückkehr des Horusthrons in den alten Palast und auf das Gefühl zu freuen, wenn man mir die Doppelkrone auf die Stirn setzt? Er umklammerte das Handgelenk seines Bruders. »Ahmose«, sagte er mit belegter Stimme. »Ahmose…«, und verstummte, weil er einen Kloß im Hals hatte.
Das Schiff stieß an die Bootstreppe. Am Ende des Wegs sah er die Frauen heraneilen. Er prüfte kurz sein Ka, stellte aber keine Entfremdung, kein Zurückscheuen fest. Lächelnd breitete er die Arme aus. »Wawat ist ein wunderbares Land!«, rief er. »Aber Waset ist besser!« Er umarmte sie heftig, genoss es, wie sich ihr weiches Fleisch anfühlte, genoss den Duft ihrer Salben, ihre hohen, aufgeregten Stimmen. Nur Tetischeri blickte ihn von der Seite an. Sie machte sich los, trat zurück und musterte ihn eingehend.
»Du scheinst dich über uns zu freuen, Majestät«, sagte sie trocken. »Nun, diese Freude wird dir bald vergehen. Die Fürsten sind da und sie haben viele
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