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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Garnison, aus der Männer strömten, die unterschiedliche Waffen umklammerten, sich verwirrt umsahen, aber rasch aufmerkten.
    »Ergeben?«, schrie der Bürgermeister. »Du hast tatsächlich den Verstand verloren! Damit würde ich mich zum Gespött aller Bürgermeister in ganz Ägypten machen! Ich würde meine Stellung und vielleicht sogar meine Freiheit verlieren!«
    »Lieber die Freiheit oder das Leben?«, fragte Kamose ruhig. Der Bürgermeister erblasste.
    »Lachhaft«, stotterte er. »Erinnere dich an Qes, Fürst Kamose, und geh nach Hause!«
    Er begreift nichts, dachte Kamose. Er sieht meine Soldaten und sieht sie wiederum nicht. Sie gehören nicht zu der Wirklichkeit eines warmen und sonnigen Morgens in Daschlut, darum gibt es sie auch nicht. Er streckte betont die Hand aus, und ein Getreuer legte ihm einen Pfeil auf die Handfläche. »Kamose…«, flüsterte Ahmose, doch Kamose hörte nicht auf ihn. Ruhig legte er den Pfeil auf seinen Bogen, hob die Waffe, nahm die richtige Haltung ein und zielte über der behandschuhten Hand mitten auf die heftig atmende Brust des Bürgermeisters. Im Namen Amuns und zum Ruhm der Maat, hauchte Kamose und schoss, sah, wie sich der Pfeil tief in die Brust des Mannes bohrte, sah, wie er entsetzt und ungläubig die Augen aufriss, ehe sein Leichnam zu Boden sank.
    »Jetzt, Hor-Aha!«, rief Kamose. »Aber verschont Frauen und Kinder!«
    Siegesgebrüll aus den Kehlen der Medjai antwortete ihm. Auf das Zeichen des Generals hin hagelte es unversehens Pfeile, und die Stadtbewohner erwachten aus ihrer Erstarrung. Wie betäubt hatten sie ihren Bürgermeister fallen sehen, und die Überraschung hielt bis zu Kamoses Befehl an. Jetzt stoben sie entsetzt schreiend auseinander, schnappten sich ihre Kinder und wollten nur noch entkommen. Mit Befriedigung stellte Kamose fest, dass der erste Hagel der Medjai auf die Garnison gerichtet war, deren Soldaten, das musste man ihnen lassen, Deckung suchten und zurückschossen. Doch ihre Pfeile bohrten sich harmlos in die Schiffsflanken oder flogen über ihre Köpfe und landeten im Nil, und schon machten die Setius kehrt und rannten. Kamose gab Hor-Aha mit dem Kopf ein Zeichen, und der hob den Arm und bellte einen Befehl. Die Medjai strömten aus den Schiffen, einige ließen den Bogen zurück und zückten die Axt, andere verteilten sich, um die Stadt zu umzingeln.
    Und Kamose sah zu. Eine geraume Weile lag der staubige Platz zwischen dem Fluss und der Ansammlung von Häusern verlassen, abgesehen von den niedergestreckten Leibern des Bürgermeisters und seiner unseligen Begleiter, während außer Sichtweite in den schmalen Gässchen, hinter den Lehmmauern, jenseits der Stadt, wo sich die Felder ausbreiteten, das Gemetzel seinen Lauf nahm. Doch es dauerte nicht lange und die Schiffe selbst bildeten den äußeren Rand eines eigenartigen Schauspiels. Der leere Platz vor ihnen füllte sich allmählich mit Kindern, die wie in einem irren Spiel hin und her rannten, bis sie sich an die Mauern kauerten oder knieten, schluchzten und das Gesicht in den Staub drückten, als könnten sie damit dem wahnwitzigen Lärm ringsum entgehen. Frauen tauchten aus den frühen Schatten auf, einige schritten benommen dahin, andere rannten sinnlos von einer Gruppe Kindern zur anderen, wiederum andere wehklagten, während sie, mit Gegenständen beladen, umhertorkelten, die sie instinktiv in ihren Häusern gegriffen hatten und an sich drückten, als ob sie das vertraute Gefühl von Topf und Leinen schützen könnte.
    Eine Frau kam zum Fuß von Kamoses Laufplanke getaumelt, stand da und blickte zu ihm hoch, und die Tränen liefen ihr über die Wangen, und ihre nackten Arme waren leuchtend rot von Blut, das eindeutig nicht ihres war. Sie griff mit beiden Händen in den Ausschnitt ihres groben Hemdkleides, wollte es aufreißen, und dabei ging ihr Atem stoßweise. »Warum?«, schrie sie. »Warum, warum?«
    Ahmose stöhnte.
    »Ich halte das nicht aus«, flüsterte er. »Ich setze mich in die Kabine, bis es vorbei ist.« Er wandte sich ab. Die Getreuen des Königs um Kamose standen schweigend da, und zu guter Letzt hörte die Frau auf. Sie schüttelte eine dreckige und zitternde Faust, ging zum nächsten Baum, warf sich zu Boden, rollte sich zusammen und weinte. Kamose gab dem Hauptmann seiner Leibwache einen Wink mit dem Finger.
    »Sag General Hor-Aha, er soll die Leichen hier zusammentragen und verbrennen«, befahl er. »Ich möchte, dass sich eine große Rauchwolke erhebt. Ich möchte,

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