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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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jäh zu Streifen verschwommener Farbe auf und der Weg zitterte auch. Ich werde ohnmächtig, dachte sie teilnahmslos. Sie taumelte zu einem abgeschiedenen Fleckchen hinter Akazienbüschen, ehe sie an der Grenzmauer zusammenbrach. Dann fing sie an zu weinen. Heftige Schluchzer schüttelten sie, das Entsetzen des Morgens forderte seinen Tribut. Sie umschlang sich mit den Armen, wiegte sich im freundlichen Schatten der Akazien hin und her und weinte um eine Tat, die sie ihre ganze Kraft gekostet hatte, um Kamose und seine Einsamkeit, um ihren Ehemann, der sich von ihrem Lager gestohlen hatte und nur angeln wollte, was ihn ihr vielleicht für immer entrissen hatte. Als sie sich ausgeweint hatte, wischte sie sich das Gesicht in ihrem schmutzigen Hemdkleid und stand zitternd wieder auf. Die Sonne schien noch immer. Eine Brise bewegte den Rasen. Eine goldene Libelle flatterte mit glitzernden Flügeln vorbei. Aahmes-nofretari ging zielstrebig zum Haus.
    Leise betrat sie es durch den Dienstboteneingang, hielt dabei noch immer das Messer in der Hand, das sie beinahe vergessen hatte, und schritt ein Stück auf dem breiten Flur entlang, dann blieb sie stehen und horchte. Leise Stimmen wehten heran und etwas weiter entfernt weinte jemand, doch sie hörte keine Geräusche eines heftigen Kampfes. Was auch geschehen war, ob gut oder schlecht, es war während ihrer Abwesenheit geschehen.
    Vorsichtig ging sie weiter, aber ihr war klar, dass das erhobene Messer nur gespielter Mut war. Sie stieß auf vier Medjai, die an der Wand lehnten und sich aufgeregt unterhielten. »Prinzessin, Prinzessin«, riefen sie, und da merkte Aahmes-nofretari, dass das Haus gerettet war.
    »Wo ist Seine Majestät?«, fragte sie. Da wurden sie sehr still und sahen sie ernst und mit schwimmendem Blick an. Einer von ihnen wies mit der Hand.
    »Dahinten«, sagte er. »In dem großen Raum.« Sie dankte ihnen und mit einem Stoßgebet an die Götter eilte sie den Hauptflur entlang. Kamose war verschont worden. Er war mit Ahmose und Hor-Aha und den anderen im Empfangssaal. Alles würde gut werden. Sie kam an etlichen Hausdienern vorbei, die auf den Knien lagen und Blutflecken wegschrubbten. Die Leichen waren verschwunden. Es geht wieder seinen alten Gang, dachte sie froh und ich habe meinen Teil dazu beigetragen und überlebt. Es ist vorbei.
    Doch draußen vor dem Saal stieß sie auf Achtoi. Der Haushofmeister saß auf einem Schemel und das Gesicht, das er ihr zuwandte, als sie den Schritt verlangsamte, war tränennass. Er kam unbeholfen hoch, machte eine flüchtige Verbeugung, und da löste sich Aahmes-nofretaris zerbrechliches, neu gewonnenes Zutrauen in nichts auf. »Was ist, was ist?«, stammelte sie. »Ist er verwundet? Ist Ahmose auch verwundet?« Achtoi bemühte sich um Fassung, ehe er etwas sagte.
    »Seine Majestät ist tot«, sagte er und dabei zitterte seine Stimme kaum merklich. »Ein Pfeil hat ihn in die Seite getroffen, als er zur Bootstreppe gegangen ist, um den Prinzen zu warnen.« Er schluckte und Aahmes-nofretari starrte wie gebannt auf seinen hüpfenden Adamsapfel. »Die Herrin Tetischeri hat dir einen Soldaten entgegengeschickt, aber offensichtlich hat er dich verfehlt. Es betrübt mich zutiefst, dass ich dir diese Nachricht überbringen muss. Verzeih mir, Prinzessin. Dein Gemahl, der Prinz, ist…« Doch Aahmes-nofretari wartete seine weiteren Worte nicht ab. Sie schob sich an ihm vorbei und stürzte in den Empfangssaal.
    Kamoses Leichnam lag auf dem riesigen Schreibtisch, den man aus dem Arbeitszimmer ihres Vaters hereingeschafft hatte. Eine Wand des Säulensaals war zum Garten hin ganz geöffnet und ließ kein direktes Licht ein, aber dennoch war alles nur zu entsetzlich klar. Ein zerzauster Amunmose mit einem rauchenden Weihrauchgefäß in der Hand schwankte zu Kamoses Füßen und sang leise. Ramose und Hor-Aha standen neben seiner verletzten Seite, aus der, das sah Aahmes-nofretari mit Entsetzen, noch immer der Pfeil ragte. Hor-Aha hielt Behek am Halsband gepackt und der Hund jaulte, wehrte sich verstört und wollte auf seinen Herrn springen. Anchmahor kehrte ihnen allen den Rücken zu. Er lehnte mit gesenktem Kopf an einer Säule und hinter ihm, vorn im Garten, hatten sich die Dienstboten versammelt, einige hockten im Gras, andere standen grüppchenweise zusammen, alle stumm vor Gram.
    Hinten im Saal auf der ersten Stufe der Estrade, auf der die Familie bei Festgelagen mit wichtigen Gästen speiste, saß Tetischeri reglos mit geradem

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