In der Oase
Rücken, drückte die Knie unter dem blauen Hemdkleid zusammen und umklammerte mit knotigen Händen ihre Schenkel. Auf Aahmes-nofretari wirkte sie wie bereits mumifiziert, die runzlige und faltige Haut ihres Gesichts war angespannt und ledern, die dünnen, faltigen Lippen entblößten gelbe Zähne, die Augen unter den geschwollenen Lidern waren eingesunken. Sie starrte geradeaus und blinzelte kaum, als sich ihre Großtochter über sie beugte. »Großmutter, wo ist Ahmose?«, fragte sie. »Wo ist meine Mutter?« Sie legte eine Hand auf das verfilzte graue Haar und Tetischeri bewegte sich.
»Sie müssen alle sterben, alle miteinander«, flüsterte sie. Ihr Atem berührte das Gesicht der jungen Frau, heiß und übel riechend. »Wir müssen sie jagen und erschlagen wie wilde Tiere, denn das sind sie.«
»Wo ist Ahmose?«, wiederholte Aahmes-nofretari lauter, doch die alte Frau hörte sie nicht, und als Aahmes-nofretari eine Hand auf ihrer Schulter spürte, richtete sie sich auf.
»Er ist schlimm verwundet«, sagte Ramose. »Er ist auf seinem Lager und der Arzt und deine Mutter sind bei ihm. Wo bist du gewesen, Prinzessin? Man hat nach den Sem-Priestern geschickt, Kamose muss ins Haus des Todes gebracht und einbalsamiert werden. Deine Mutter hat sich geweigert, ihnen seinen Leichnam zu übergeben, ehe du nicht zurück bist, aber sie hat nicht gesagt, wo du warst.« Aahmes-nofretari blickte ihm mitten ins Gesicht. Auch er hatte geweint. Er war blass und seine Augen waren verquollen. »Teilweise bin ich für das hier verantwortlich«, sagte er gebrochen. »Wenn ich begriffen hätte, wie sehr meine Mutter hasst, wenn ich sie bei Kamose angezeigt hätte…«
»Nicht jetzt, Ramose!«, rief Aahmes-nofretari. »Für Schuldzuweisungen ist später Zeit, jetzt ertrage ich sie nicht! Ich muss zu meinem Mann.«
Trotz ihrer heftigen Sorge um Ahmose und der heimlichen Erleichterung, dass er noch lebte, konnte sie sich nicht vom Leichnam ihres geliebten älteren Bruders losreißen. Sie näherte sich dem Schreibtisch durch einen beißenden Myrrhenebel und streichelte seine noch immer blutigen und so kalten Wangen und drückte seine schmutzigen, schlaffen Finger an ihr Gesicht. »Kamose, ach, Kamose«, hauchte sie. »Die Götter werden dich willkommen heißen, denn gewiss wird dein Herz gegen die Feder der Maat leicht wiegen, aber für uns, die wir nie wieder deine Stimme hören, gibt es nichts als Kummer. Wenn du doch nur noch erfahren hättest, dass der Aufstand gescheitert und dein großes Werk nicht zunichte geworden ist.« Sanft küsste sie ihn auf den schlaffen, blutverkrusteten Mund und drehte sich zu dem Hohen Priester um. »Amunmose, was ist mit meinen Kindern?«, fragte sie. Der Mann hörte auf zu singen und verbeugte sich vor ihr.
»Die sind wohlbehalten in meiner eigenen Zelle, Prinzessin«, versicherte er ihr. »Die Herrin Nofre-Sachuru ist auch dort. Sie hat mir gesagt, dass du sie geschickt hast, damit sie Raa mit Ahmose-onch hilft. Raa hat das abgestritten, und da ich nicht wusste, wer lügt, habe ich die Herrin der Tempelwache übergeben.«
»Danke«, sagte Aahmes-nofretari grimmig. »Wenn der Leichnam Seiner Majestät fortgebracht ist und du in den Tempel zurückkehrst, sorge dafür, dass Nofre-Sachuru nicht entkommt. Sie lügt.« Sie spürte Ramoses entsetzten Blick, erwiderte ihn jedoch nicht.
Dann winkte sie Hor-Aha ein kleines Stück fort und erzählte ihm rasch, was sich auf dem Exerzierplatz zugetragen hatte. Dabei merkte sie, wie sein Blick erst entsetzt, dann ungläubig wurde. »Das hast du getan, Prinzessin?«, entfuhr es ihm leise. »Du? Wahrlich, das Haus Tao ist mit Herzen von göttlichem Mut gesegnet! Weder Anchmahor noch ich haben das Ausmaß der Gefahr erkannt. Wir haben geglaubt, dass sich der Angriff auf deine Brüder, auf das Anwesen beschränkt.«
»Mutter und Großmutter und ich haben mehr dahinter geargwöhnt.«
»Deine Mutter hat Meketra erdolcht, als der deinen Gemahl verwundet hat«, sagte Hor-Aha. »Hast du das nicht gewusst, Prinzessin? Sie wird schon als Retterin gepriesen. Sein Leichnam liegt noch am Weg zur Bootstreppe. Sie hat befohlen, dass er dort bleiben soll, damit ihn alle sehen können.«
Aahmes-nofretari starrte ihn entgeistert an. Seit Kamose in ihr Schlafzimmer gekommen war, hatten sich die entsetzlichen Ereignisse gehäuft, doch mehr konnte sie nicht verkraften. Nicht jetzt, sagte sie bei sich, so wie sie es laut zu Ramose gesagt hatte. Ich kümmere mich später darum.
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