In der Oase
dankbaren Blick.
»Ahmose ist es einerlei, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird«, sagte sie. »Aber ich finde, ein Mädchen wäre besser. So kann Ahmose-onch…« Ihre Stimme erstarb und sie blickte in ihren Schoß.
»Du musst dich für das, was du sagen wolltest, nicht schämen.« Das war Kamose. Er lag auf der Seite, hatte den Kopf in die Hand gestützt, und seine Augen musterten das filigrane Blattwerk des Weins über sich. »Wir dürfen die schmerzliche Wirklichkeit unserer Zeit nicht aus dem Blick verlieren. Falls es ein Mädchen ist, wird das göttliche Blut von dir an sie weitergegeben, und wenn Ahmose-onch sie heiratet, wird er zum Gott. Vorausgesetzt natürlich, dass Ahmose tot ist.« Er setzte sich auf, kreuzte die Beine und blickte sie über den Sonnenflecken mit schmalen Augen an. »Unsere Linie ist ohnedies königlich«, fuhr er fort, »und bisweilen hat es keine Schwester gegeben, mit der man sie hätte verfeinern oder neu beleben können. Aber wenn es eine gibt, wird sie besser, kraftvoller. Die Maat erneuert sich.«
»Das sind harsche Notwendigkeiten, die man da bedenken muss, lieber Bruder«, sagte sie leise und blickte dabei noch immer in ihren Schoß. »Und es ist mir auch nicht entgangen, dass du zwar die Majestät bist, aber redest, als wolltest du deine eigene Linie nicht verewigen. Kamose, ich habe Angst um dich.«
Der Monat Choiak verstrich ereignislos. Die Festtage kamen und gingen; Opferfest, Öffnung von Osiris’ Grab, das Fest des Erdaufhackens, das Fest des Vaters der Palmen, insgesamt elf Tempelfeste, damit alle, die das Hochwasser arbeitslos gemacht hatte, beschäftigt waren. Die Bauern mochten diese Zeit, denn an Festtagen mussten sie nicht bauen und konnten wegen des Hochwassers nicht auf den Feldern schuften.
Langsam zog sich der Nil wieder in sein früheres Bett zurück und die Hitze ließ nach. Das Leben im Haus war wieder angenehmer Alltag, und abgesehen von den regelmäßigen Berichten aus der Oase Uah-ta-Meh und aus Het nefer Apu hätte sich die Familie einbilden können, man hätte zum Frieden und der Sicherheit früherer Jahre zurückgefunden.
Tetischeri war bei den kühleren Temperaturen aufgelebt und hatte beschlossen, sich nicht mehr wie früher wegen des Feldzugs den Kopf zu zerbrechen, sondern mit einer Geschichte der Familie zu beginnen. Und so saß sie am Teich und diktierte ihrem Schreiber. Kamose jedoch verbrachte weiter viele Stunden mit dem geduldigen Behek neben sich auf dem Dach des alten Palastes. Zuweilen sahen besorgte Diener, wenn sie unterwegs im Garten zufällig hoch-und über die Trennmauer hinwegblickten, in dem gebeugten Umriss Seqenenre und murmelten ein Stoßgebet, ehe sie dann seinen Sohn erkannten. Doch trotz seines Bedürfnisses nach Alleinsein schien Kamose sein seelisches Gleichgewicht wieder gefunden zu haben. Sein Gesicht hatte den gequälten, gehetzten Ausdruck verloren.
Jeden Spätnachmittag wanderten die Familienmitglieder, als hätten sie sich abgesprochen, in den Garten und sammelten sich am Teich, wo sie Wein tranken und sich zwanglos unterhielten, ehe man sie zum Abendessen rief. Sie saßen oder lagen im warmen, duftenden Gras, beobachteten müßig die Mücken, die über dem rot gefärbten Wasser des Teiches schwebten, und rechneten sich aus, wann ein Fisch hochspringen und sich eins der schmackhaften Insekten schnappen würde oder wann er an den gerade erblühten Lotosblüten zupfen würde, auf deren Blättern laut quakende Frösche hockten.
Eine unverhoffte Beschaulichkeit hielt alle gefangen, so als hätte die zurückgehende Überschwemmung die Qualen und Albträume der vergangenen Wochen mit sich genommen. Rings um das Anwesen tauchten die Felder wieder auf, dunkelbraun und feucht schimmernd, und sie konnten ihre Bauern sehen, die knöcheltief im durchweichten Boden standen.
»Das wird eine reichliche Ernte«, sagte Aahotep. Sie saß auf dem steinernen Rand des Teiches und zog die Finger durchs Wasser. »Wir werden mehr aussäen können als im letzten Frühling, und nichts von der Ernte geht an Apophis.«
»Von dem Wein auch nichts«, warf Ahmose ein. Er hatte den Kopf in den Schoß seiner Frau gelegt, und sie kitzelte ihn mit einem Grashalm an der Nase. »Unser Winzer sagt, dass die Rebstöcke keine Anzeichen von Frühlingsfäule aufweisen. Wo ist Nofre-Sachuru? Warum gesellt sie sich nie zu uns?« Er schlug nach Aahmes-nofretaris Hand und nieste.
»Aus ihrem Gram ist Hass geworden«, sagte Tetischeri. Sie warf ihre
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