In der Oase
Besatzung der Kasernen. Er muss auch wissen, wie die Einwohner denken. All das würde Zeit erfordern.« Sie zögerte.
»Der Zeitverlust macht ihn verrückt«, machte ihr Ahmose klar. »Ihr beiden wolltet einen schnellen, anhaltenden Sturm nach Norden und ein rasches Ende von Apophis’ Joch. Aber, Tetischeri, das soll nicht sein, und mir will scheinen, du hast es eingesehen, Kamose jedoch nicht. Wird er auch nicht. Und ich habe es satt, mich mit ihm zu streiten.«
»Aber du wirst ihn doch nicht verlassen!«, rutschte es ihr heraus. »Du wirst dich doch nicht öffentlich mit ihm streiten, Ahmose!«
»Natürlich nicht«, gab er zurück. »Du siehst in mir immer noch den Einfaltspinsel, nicht wahr, Großmutter? Ich sage es hier nur ein einziges Mal.« Er beugte sich vor und hob einen warnenden Finger. »Ich hasse die Setius. Ich hasse Apophis. Ich schwöre bei den Wunden meines Vaters, beim Gram meiner Mutter, dass ich keine Ruhe gebe, bis ein ägyptischer König wieder ein geeintes Land regiert. Ich billige Kamoses Strategie nicht, aber als getreuer Untertan werde ich ihn unterstützen, weil er und ich, wir alle, das Gleiche wollen.« Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. »Kamose ist zum Streitwagenpferd mit Scheuklappen geworden. Er kann nicht mehr nach rechts und links sehen, aber wie solch ein Pferd läuft er in die richtige Richtung.«
»Wer hält die Zügel, Ahmose?«, murmelte sie. »Etwa Hor-Aha?« Er ließ sich die Frage durch den Kopf gehen.
»Der General ist ehrgeizig und herrisch«, sagte er. »Zweifellos ist er ein brillanter Taktiker. Er hat seine Medjai vollkommen im Griff, aber Kamose, glaube ich, nicht, obwohl Kamose sich eher auf seinen Rat verlässt als auf meinen. Ehrlich, Großmutter, ich mag ihn nicht mehr. Aber das behalte ich für mich. Ich möchte ihn nicht vor den Kopf stoßen, solange er uns noch nützlich ist.«
»Seine Medjai?«
Ahmose knurrte. »Ein Versprecher. Hor-Ahas Mutter Nihotep war, wie du weißt, Ägypterin. Sie hat, glaube ich, unweit der Festung Buhen gelebt und sich den Lebensunterhalt als Wäscherin für die Soldaten verdient.«
»Nein, das habe ich nicht gewusst«, sagte Tetischeri. »Was ist mit seinem Vater?« Ahmose hob die Schultern.
»Offensichtlich ein Wilder, der dem General Farbe und Züge vermacht hat. Aber Hor-Aha hält sich selbst für einen Bürger dieses Landes. Darauf ist er stolz. Er wird seinen König nicht verraten.« Ahmose wählte das größte Gebäckstück und biss genüsslich hinein, leckte sich den Honig von den Fingern und schenkte Tetischeri ein strahlendes Lächeln. »Seitdem Kamose ihn zum Fürsten gemacht hat, will er eine Nomarche haben. Kamose hat ihm etwas im Delta versprochen.«
»Lachhaft!«, blaffte Tetischeri. »Wir können einen Wilden doch nicht eine Nomarche verwalten lassen.« Ahmoses Zähne blitzten. »Keine Bange, Majestät«, sagte er leise. »Bis das Delta für eine ordentliche Verwaltung sicher genug ist, vergeht noch viel Zeit. Mit diesem Problem müssen wir uns augenblicklich nicht herumschlagen.«
»Ahmose«, sagte sie verwundert, »sind wir gerade Komplizen geworden?«
»Verbündete, Majestät«, erwiderte er fest. »Verbündete. Das sind wir zusammen mit Kamose immer gewesen.« Er stand auf und reckte sich. »Vielen Dank für dein geneigtes Ohr. Verstehen wir uns nun ein wenig besser? Darf ich gehen?« Sie nickte und reichte ihm die Hand. Er ergriff sie mit beiden Händen und küsste sie auf die Wange. »Schlaf gut, Tetischeri«, sagte er und machte die Tür hinter sich fest zu.
Ihr Lager winkte, das weiße Laken war zurückgeschlagen, und sie merkte, dass sie unendlich müde war, aber sie rührte sich nicht, sondern saß da und starrte in die Stille, während ihre Gedanken rasten. Erst als die letzte Lampe anfing zu spucken, stemmte sie sich hoch, jedoch nur um die schwache Flamme auszublasen. Sie legte ein Kissen auf den Stuhl und ließ sich darauf nieder, legte die Ellbogen auf den Tisch und sah blicklos ins Dunkel.
Am darauf folgenden Tag feierte man den Beginn des Monats Choiak und das Fest der Hathor, der Göttin der Liebe und Schönheit. Der Fluss hatte seinen höchsten Stand erreicht und würde wieder abschwellen. Die Sonne brannte nur unmerklich schwächer, immer noch war es heiß, und Tetischeri hätte dem Priester gern den Weihrauchbehälter weggerissen und damit seinen wohltönenden Gesang beendet, denn dann konnte sie endlich in ihre Sänfte klettern, die am Rand der ehrerbietigen Menge
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